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Die Schattenseite des E-Commerce: 'Ausbeutung' und 'sklavenähnliche Arbeitsbedingungen'
15.03.2016 Sklavenähnliche Arbeitsbedingungen und Ausbeutung: Die Auswirkungen der Externalisierung im E-Commerce nennt der Koblenzer Arbeitsmarkt-Experte Prof. Dr. Stefan Sell "organisierte Verantwortungslosigkeit". Er kritisiert die mangelnden Kontrollen der zuständigen Behörden und spricht von "Staatsversagen allererster Güte". Was im Umkehrschluss bedeutet: Seine Forderung nach "wirklicher effektiver, schlagkräftige Arbeitskontrolle" bedeutet, dass der Onlinehandel es künftig schwerer hat, seine dünnen Margen zu halten. Sie werden noch schmaler.
Seltene Kontrollen mit auffälligen Ergebnissen
Bei der bisher letzten großen Kontrollaktion in Rheinland-Pfalz im Dezember 2013 wurden bei einem Unternehmen im Raum Koblenz 133 Fahrer überprüft. Ergebnis: Fast die Hälfte der kontrollierten Fahrer hatte die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten. 65 Fahrer hatten die Tageskontrollblätter mangelhaft geführt. Sieben Fahrzeuge wurden von der Polizei wegen erheblicher Mängel aus dem Verkehr gezogen. Eine ähnliche alarmierende Bilanz ergab eine Kontrollaktion des Arbeitsschutzes in Nordrhein-Westfalen im Mai 2014. Mehr als 60 Prozent der kontrollierten Dienstleister hatten die vorgeschriebenen Arbeitszeitgesetze nicht eingehalten.In einem typischen Arbeitsvertrag der Logistikbranche ist festgelegt, dass die Fahrer in einer Schicht mindestens 100 Pakete ausliefern müssen. Da dieses Volumen in der Regel nicht in einer Regelarbeitszeit von acht Stunden zu schaffen ist, fallen regelmäßig nicht zulässige überlange Arbeitszeiten und unbezahlte Überstunden an.
Die Folge ist eine Aufforderung an die Politik, regulierend einzugreifen und die Externalisierung zu beenden. Der für das Transportgewerbe zuständige Koblenzer Gewerkschaftssekretär Sigurd Holler : "Das ist modernes Sklaventum, Ausbeutertum - und wir schauen alle weg. Die Fahrer kriegen ja kaum mehr Geld raus als ein Hartz IV-Empfänger. Sie leben von der Hand in den Mund, wenn sie überhaupt davon leben können."
Nach Angaben des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK ) stieg der Branchenumsatz 2014 auf 16,6 Milliarden Euro. Die Branche beschäftigte erstmals mehr als 200.000 Mitarbeiter.