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Prince und der Chor der Dresdner Bauspar AG

von JanaJ

18.08.1994 (iBusiness)Die Musikindustrie probt den Einstieg in multimediale Märkte. Bislang sind die Ergebnisse jedoch eher bescheiden. Vor allem die deutschen Produzenten müssen das tun, was jeden guten Musiker auszeichnet: üben.

Köln. Von multimediale Aufbruchstimmung ist in der Musikbranche trotz der gerade zu Ende gegangenen "Popkomm" (siehe Textkasten) nach wie vor wenig spüren. Die interaktiven CDs der großen deutschen Musikverlage haben denn auch eher experimentellen als marktstrategischen Anspruch. So lud beispielsweise Bertelsmanntochter BMG zur Popkomm mit zwei (Audio-)CDs. Multimedial war hier nach BMG-Ansicht der beigeklebte Kaugummi... Doch auch in den Verkaufszahlen hinken die Musiker-CD deutlich den vielerorts geweckten euphorischen Erwartungen hinterher. Was übrigens weniger an der Qualität der Titel als an den noch nicht vorhandenen Vertriebskanälen liegt. Obwohl zwischen der Qualität der Gabriel- und der Grönemeyer-CD Welten liegen, sind die Verkaufszahlen ähnlich. Experten schätzen bei beiden den Absatz ähnlich (siehe Tabelle). Auch Philips bietet Musikvideos für sein CDI-System an. Die sieben Titel (darunter Sting, Bryan Adams, Bon Jovi, Eric Clapton und Tina Turner), die die aktuelle Philips-Preisliste aufweist, sollen für jeweils 40 Mark an die wenigen deutschen CDI-Konsumenten vertrieben werden -- trotz der jeweils zwei CDs pro Titel deutlich billiger als andere CDI-Titel. Verkaufte Auflagen nennt Philips nicht, doch ist davon auszugehen, daß angesichts der geringen Anzahl der in Deutschland installierten CDI-Konsumerplayer, die Absatzzahlen in Deutschland eher zu vernachlässigen sind. Um in diesem Markt zukünftig stärker aktiv werden zu können, hat der Präsident von Philips Media, Scott C. Marden, den ehemaligen Polygram-Manager Michael Kushner als "Senior Vice President and General Manager" für den Bereich "Multimedia Music" an Bord geholt. In dieser Stabsstelle soll Kushner das Lizenz- und Entwicklungsgeschäft für den für Philips mit "Top Prioriät" versehenen Markt aufbauen. Amateurliga Deutsche multimediale Musikproduktionen spielen dabei im Vergleich zu den internationalen multimedialen Music-CDs inhaltlich fast ausschließlich auf Amateurliga-Niveau. Nach der wenig beeindruckenden Grönemeyer-Produktion ist auch die Qualität der von der Kölner Rockband produzierten 50 Mark teuren Twice-CD "BAP: Pik Sibbe" dem Kartenwert entsprechend niedrig. Das bundesdeutsche Produktionsniveau steigert dann auch Weltstar Thomas Quintes und der Chor der Dresdner Bauspar AG nicht signifikant. Als Motivations-Giveaway für die Mitarbeiter der Dresdner Bausparkasse entwickelte die Werbeagentur Hans Quintes zusammen mit dem Wiesbadener Multimediaentwickler "Art Tech TV Production" eine CDI-CD mit CDDA-Audiotracks. Die Mitarbeiter sangen den Firmensong "Sympathy". "Damit sich alle Beteiligten auf der CD aber nicht nur hören, sondern auch sehen können", so Agenturgeschäftsführer Hans Quintes, wurde ein Video produziert. "Computerspezialisten legten dann beide Datenstränge inklusive des Erkennungsprogramms von einander getrennt komprimiert auf einer CD ab", so Quintes stolz über seine "neuartige, richtungsweisende CD-Produktionstechnik". Aussagen, die verdeutlichen, wie groß die Unsicherheit in der Musikbranche über die technischen Möglichkeiten in der Musikindustrie heute noch sind. Auch sonst setzt man in deutschen Landen eher auf Audio-CDs mit Datenspur. So stellte Alex Merck Music beispielsweise mit "World Tour" des amerikanischen Keyboarders Jason Miles eine CD vor, auf der sich neben einem 52-Minuten-Audiotrack vor allem die digitalisierten 52 Covers der Jazz-CDs des Labels "Lipstick und Jazzline" abgelegt sind. Bieder auch die neue Mixed-Mode-CD "Das Auge Gottes" von der K&K Promotion Agentur für Sony Music entwickelt. Neben 14 Rap-Songs der gleichnamigen Schweriner Band ist auf der Intel-gesponsorten CD ein Windows-Programm, auf der sich die Neufünfländer in Text, Bild und Video vorstellen. Entgegen dem Image der Band sehr brav, chaotisch ist nur die Benutzerführung. Weiter als in Europa ist man in den USA. Die großen amerikanischen Musikverlage betreiben vor allem aktives Konservenrecycling, um Zusatzmärkte ihrer etablierten Musiktitel zu erschließen. Besonders aktiv im Spiel "ich war eine Dose" ist Time Warner. Tochter Warner Bros. erschließt dabei noch für die Musikbranche ganz neue Distributionskanäle. Das Unternehmen hat zusammen mit Paisley Park Enterprise, der Produktionsgesellschaft des Musikers, "Prince Interactive" produziert. Die CD-ROM ist als kombiniertes Musikvideo/Computerspiel angelegt. Realisiert wurde die kombinierte Mac/Windows-CD-ROM mit CDDA-Audio, die Compton's New Media exklusiv weltweit für 60 Dollar vertreibt, vom US-Entwicklungshaus Graphix Zone. "Prince Interactive" besteht aus dem neuen Prince-Song und einem Performance-Video, sowie Samples von 52 Musikstücken des Künstlers und drei Videoclips. Eingebettet ist Musik und Video in eine Art Adventurespiel, bei dem der Anwender zahlreiche Räume erforschen muß. Da Prince seinen Namen letztes Jahr in ein kryptisches Symbol verwandeln ließ (Schreibanweisung seiner Promotionagentur: "MegaStar, früher bekannt als Prince", TrueType-Zeichensatz inklusive), ist das zu erforschende Gebäude eben diesem Mann/Frau-Zeichen nachgebildet. "Prince Interactive" ist einer der ersten Musik-CDs, die MPEG-Video einsetzen, weswegen der Hersteller der MPEG-Videodekompressionskarte für PCs "ReelMagic", Sigma Designs, bereits angekündigt hat, den CD-Titel mit seinen Karten mitzuliefern. Konzernintern entwickelt wurde die 60 Dollar teure Mac/Windows-CD-ROM "Woodstock: 25th Anniversary" vor. Für den US-Markt entwickelt und vertrieben von der Warner-Tochter "Time Warner Interactive" sind auf der CD-ROM die Original-Woodstockmusik von Janis Joplin, The Who, Jefferson Airplane, Sly and the Family Stone, Ten Years After und Country Joe McDonald sowie digitalisierten Videoclips aus dem Dokumentationsfilm "Woodstock: Three Days of Peace and Music". Auch diese Warner-Tochter schloß mit Sigma Designs ein Abkommen, regelmäßig interaktive Musik-CDs über die Vertriebskanäle des Herstellers zu vermarkten. Als erster Titel ist seit Mitte August "INXS Greatest Video Hits 1980-1990" im Handel, bis Herbst sollen noch vier weitere CD-ROM-Titel mit Time-Warner-Künstlern folgen. Während Warner über Sigma Designs den Computerhandel als Absatzmarkt erschließen will, geht Spiele- und Multimediaentwickler Jasmine Multimedia den anderen Weg. Der auf DVI-Video- und Grafik-Cliparts sowie Computerspiele spezialisierte Entwickler hat jetzt den Windows-Titel "VidGrid - The Rock Video Moving Puzzle Game" vorgestellt. Für diese Windows-CD-ROM hat sich das Unternehmen neun MTV-Videos, darunter von Jimi Hendrix, Ozzy Osbourne, Guns n'Roses, Metallica und Soundgarden, eingekauft. Die Videos laufen zerwürfelt ab, der Konsument muß sie bis zum Videoende zusammenpuzzeln. Vertrieben soll das Produkt über den Computer- sowie über den Spielehandel. Zukunftsorientiert setzen als alte Hasen die Rolling Stones auf ein anderes interaktives Medium: Ende Juli konnten die rund zwei Millionen amerikanischen "Prodigy"-Benutzer sich online mit Popstars, darunter Mick Jagger und Keith Richards sowie mit Jamie Lee Curtis plaudern. Lisa Robinson, Redakteurin beim "Rolling Stone Magazine" erkennt in solchen Aktionen vor allem ein Marketinginstrument: "Das ist eine komplett neue Art der Promotion, mit der man tausende von Fans direkt erreicht". Da das Btx-ähnliche Prodigy inzwischen ebenfalls in der Lage ist, Grafik- und Sounddateien zu übertragen, wurde der Online-Chat zum multimedialen Erlebnis: Die Teilnehmer konnten Mick Jagger sich vorstellen hören und hochauflösende Bilder der Band ansehen. Bei dem Online-Gespräch Ende Juli verband Mick Jagger das Angenehme mit dem Nützlichen. Er wollte von den Teilnehmern wissen, ob sie interaktive Videos wollten. Die Mehrzahl wollte.
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