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Enterprise 2.0 : Wie man IT und Betriebsrat gewinnt
23.03.2011 Wer Enterprise 2.0 einführt, beeinflusst die Unternehmenskultur und kann messbare Vorteile erzielen. Personal- und Rechtsabteilungen, IT-Verantwortliche und Betriebsräte stehen dieser Entwicklung nichts selten skeptisch gegenüber. Worauf es ankommt, um die kritischen Stimmen zu überzeugen und mit Enterprise 2.0 eine Erfolgsgeschichte zu schreiben.
Pankatz' Mantra lautet: "Weg vom Infoprotektionismus hin zu einem offenen mitteilenden Approach." Ein soziales Netzwerk im Intranet funktioniert nur dann, wenn dieser zentrale Leitgedanke im Unternehmen fest verankert ist. Die Überzeugung, dass es das Richtige ist, sei entscheidend für den Erfolg. Nur auf einer Hype-Welle mitzuschwimmen reiche nicht aus. "Bei uns passt das Thema gut in die Konzernstrategie 2015, die unter anderem auch den Respekt vor dem Mitarbeiter und die Anerkennung seiner Leistungen (Respect and Results) fokussiert", hofft er. Dadurch werde Enterprise 2.0 auch intern vorangebracht.
Die Vorteile von Enterprise 2.0 werden sich durchsetzen
Auch wenn es sich langsam vollzieht, so zeichnet sich ein Umdenken in vielen Unternehmen ab. Die Marktforscher von Gartner beispielsweise gehen schon davon aus, dass die Kommunikation im Job sich in den kommenden Jahren grundlegend verändern wird. Bis 2014 werde sich, so Gartner, bereits rund ein Fünftel der Beschäftigten auch am Firmenschreibtisch über soziale Netzwerke austauschen.Auch die neueste McKinsey Studie "The rise of the networked enterprise: Web 2.0 finds its payday" belegt, dass eine Mehrheit der befragten Unternehmen bereits messbare Vorteile beim Einsatz von Web 2.0 im Unternehmen feststellen kann. Informationen können direkter ausgetauscht werden und die Zusammenarbeit unter den Abteilungen verlaufe gemeinschaftlicher und weniger hierarchisch.
Betriebsräte sind nicht grundsätzlich dagegen
Wichtig für den erfolgreichen Einsatz von Web 2.0 im Intranet ist die rechtzeitige Einbindung des Betriebsrats. "Das sollte nicht erst kurz vor Betätigen des Startknopfes geschehen", warnt Joachim Lindner von N:Sight Research GmbH , der die Betriebsräte nicht in führender Anti-Haltung sieht. Im Gegenteil: "Sie müssten grundsätzlich dafür stimmen, weil jeder Mitarbeiter durch Enterprise 2.0 eine wahrnehmbare und sichtbare Stimme hat." Entscheidungen würden demokratisiert. Die Gründe für den Widerstand sollten, so Lindner weiter, überdies ernst genommen werden und Kritiker keinesfalls bloßgestellt werden. Zudem hält Lindner ein begleitendes Monitoring für unerlässlich.Psychologische Aspekte sind der Dreh- und Angelpunkt
Oft sind es die Mitarbeiter selbst, die nicht sehen, was es ihnen bringen soll, es fehlt ihnen die Motivation. "Den Mitarbeitern muss das Gefühl vermittelt werden, dass sie etwas davon haben", sagt Lindner. Das Management müsse vor allem bereit sein, diesen Weg vorzuleben und zu überzeugen, so Lindner. Die psychologischen Aspekte seien am wichtigsten im gesamten Prozess.
So kann Enterprise 2.0 etwa auf solche Mitarbeiter auch bedrohlich wirken, die es bisher gewohnt waren, ein Monopol über Information und Kommunikation zu haben. Oder das Verschwinden von Hierarchien macht sie unruhig. Aber auch Führungskräfte, die in traditionellen Kategorien denken, können nervös werden, wenn sie mit ansehen, wie Mitarbeiter ganz offen über die Firmenstrategien diskutieren.
Lindner empfiehlt die Implementierung von Enterprise 2.0 eher strategisch zu konzipieren: "Das Management muss die Mitarbeiter mitnehmen", sagt Lindner. Die gleichen Mechanismen nach innen nutzen wie nach außen, so seine Grundregel. Er weiß aus Erfahrung, dass es Geschäftsbereiche gibt, die es nutzen, andere tun es eher nicht. Daher sei es sehr sinnvoll, im Vorfeld darüber zu diskutieren, welchen Nutzen Enterprise 2.0 dem Unternehmen und den Mitarbeitern bringt.
"Die neue Kommunikation darf die formal geregelte Kommunikation nicht ersetzen"
Grundsätzlich sei der Austausch über die neuen sozialen Netzwerke auch im Unternehmen "kein Fehler", sagt Jochen Homburg
von der IG Metall. Er hat Bedenken, wenn im Blog etwas geschrieben wird, das so nicht gewollt ist. Dass sich dies von selbst reguliert, daran glaubt der Gewerkschaftsvertreter nicht, besonders dann nicht, wenn Interessenvertreter mit im Spiel sind. "Es muss klar sein, dass die Dinge, die gegen geltendes Recht verstoßen, auch aus dem Blog entfernt werden", fordert Homburg. Wichtig sei zudem der Datenschutz und die "Vertraulichkeit des Wortes". Es müsse sicher gestellt sein, dass der Mitarbeiter für das, was er geschrieben hat, keine Nachteile in Kauf nehmen muss.
Auf den Punkt gebracht lautet die Formel des Gewerkschafters so: Wenn die formal geregelte Kommunikation etwa bei Versetzungen etc. bestehen bleibt, die Inhalte des Blogs nicht aus dem Ruder laufen, eine Vertraulichkeit erhalten bleibt und der Arbeitgeber nicht zensiert und kontrolliert, kann Enterprise 2.0 durchaus Positives bewirken. Einschränkend fügt Homburg hinzu: Entscheidend sei auch, welches Kommunikationsverhalten in dem jeweiligen Unternehmen herrsche und ob die Belegschaft es überhaupt will.
Die Sorgen sind teils größer als die realen Einwände
Aus seiner Praxis als Enterprise-2.0-Consultant bei Netmedia
weiß Tobias Mitter
von sehr unterschiedlichen Reaktionen auf Seiten der Betriebsräte: "Sie reichen von Abwehrhaltungen oder Desinteresse bis hin zu expliziter Zustimmung. Unternehmenskultur und Altersstruktur innerhalb der Belegschaft spielen hier eine Rolle." Manchmal sei die Sorge der Projektverantwortlichen vor den Einwänden größer als die tatsächlichen Einwände.
Oftmals helfe, so die Erfahrungen Mitters, eine verständliche und nüchterne Erklärung von Social Media, die den Bezug zum Business klar mache. Oftmals werde von Betriebsratsseite so eingewandt, "dass ein Zwang zur Preisgabe von Daten entstehen könnte." Das lasse sich aber meist damit widerlegen, dass das Einstellen bzw. die Freigabe von Daten auf freiwilliger Basis erfolge. Den Betriebsrat schon in der Konzeptionsphase mit einbinden und anhand von Skizzen die Enterprise-2.0-Funktionen erklären - das vermeide unter Umständen "unnötige Diskussionen und teure Fehlentwicklungen".
Noch nicht absehbar sei, so Mitter weiter, wie Betriebsräte auf die Verbreitung des "Gamification"-Trends reagieren werden. Hierbei sollen etwa Elemente wie "Auszeichnungen" oder "Ranglisten" das Engagement der Mitarbeiter bei Enterprise 2.0 fördern. "Da hier die 'Leistung' von Mitarbeitern für alle direkt vergleichbar ist, wird es sicher noch einen interessanten Austausch mit Betriebsräten über die Ausgestaltung im Detail geben", vermutet Mitter.
Wichtige Guidelines für das Funktionieren von Enterprise 2.0 gehören in jedem Fall zu einem guten Funktionieren dazu. Allen voran die Tatsache, dass anonyme Beiträge nicht erlaubt sind und die Teilnahme freiwillig ist.
Checkliste: So gewinnen Sie den Betriebsrat für Enterprise 2.0
- Direktions- und Weisungsrecht: Der Arbeitgeber gibt die Bedingungen vor und begründet die betriebliche Notwendigkeit, der Betriebsrat stimmt zu.
- Datenschutz: Nutzungsbedingungen für die Plattform, die von den Mitarbeitern unterschrieben werden, verhindern Verstoß gegen Datenschutz, besonders wichtig für grenzüberschreitend arbeitende Unternehmen.
- Urheberrecht: Arbeitgeber legt in den Nutzungsbedingungen fest, dass sämtliche Beiträge in den internen Plattformen dem Arbeitgeber gehören, dies gilt auch bei Ausscheiden des Mitarbeiters.
- Verhaltensregeln: In den Nutzungsregeln wird festgehalten, wie sich Mitarbeiter zu verhalten haben, etwa keine Kopien von Bilder und Grafiken aus dem Netz ins interne Wiki stellen, da sonst der Arbeitgeber dafür haftet.
- Sicherheit: Dem Mitarbeiter wird in den internen AGBs der Schutz seiner persönlichen Daten zugesichert.
Selbstregulierende Wirkung bei sozialen Netzwerken im Intranet
Die Deutsche Post DHL hat Ende 2009 begonnen, Enterprise 2.0 einzuführen. Daniel Pankatz kann bislang nur von positiven Erfahrungen berichten. Beispielsweise die anfängliche Befürchtung, dass die Kommentarfunktion ausufern könnte, hat sich in keiner Weise erfüllt. "Die Nutzer regulieren sich selbst", sagt Pankatz. Unqualifizierte Beiträge sind demnach kein Problem. Teilnehmer mit weniger gehaltvollen Beiträgen würden praktisch von den anderen zurückgewiesen. Pankatz glaubt, dass soziale Netzwerke im Unternehmenskontext sogar noch besser funktionieren als im frei zugänglichen Netz. Denn: Im öffentlichen Internet gäbe es eine zunehmende Tendenz zur redaktionellen Bearbeitung, Kommentarfunktionen würden vermehrt geschlossen."Natürlich gab es auch bei uns im Unternehmen vor der Einführung sowohl kritische Stimmen als auch Befürworter. Von vielen Seiten wurde jedoch in erster Linie das positive Potenzial gesehen, das in dieser Kommunikationsform liegt", so die Erfahrungen von Daniel Pankatz. Die Mitarbeiter hätten es angenommen und als "experimentelles Wachstum" angesehen. "Sie geben ihr Wissen preis, weil es spannend ist und weil sie selbst und das Unternehmen daraus Mehrwert ziehen können", so Pankatz.
Was intern gesagt wird, dringt nicht mehr nach außen
Für manche Unternehmen ist Enterprise 2.0 ein geeignetes Mittel, den internen E-Mailverkehr unter den Angestellten zu reduzieren, andere reizt der Gedanke, ein betriebseigenes Lexikon, ein Wiki, aufzubauen, in dem alles Wichtige über das Unternehmen gesammelt ist und die unternehmensrelevanten Informationsprozesse beschleunigt werden. Wieder andere schätzen die Aktivierung der Mitarbeiter für einen offenen Dialog und die Wissensweitergabe, bei der jeder Mitarbeiter jederzeit den Stand einer bestimmten Themen-Diskussion nachvollziehen kann. Und nicht zuletzt ist einer der treibenden Gedanken dabei: Wenn die Mitarbeiter auf interne Medien zurückgreifen können, dann werden sie ihre Fragen und Bemerkungen dort eintragen, anstatt sie nach außen zu tragen.Chance für das Unternehmen auf laufende Diskussionen Einfluss zu nehmen
Soziale Netzwerke im Intranet stellen zudem keinen Machtverlust für das Unternehmen dar, wie immer wieder von Seiten der Skeptiker behauptet wird. Sie bedeuten (endlich) wieder die Chance, dem Unternehmen einen Aktions- und Reaktionskanal zu verschaffen", sagt Norbert Bader von der Unitb Technology GmbH . Der "Machtverlust" in Richtung einer eingleisigen, gut steuerbaren Unternehmenskommunikation sei seit Jahren Realität. "Für Unternehmen ist es aber entscheidend, auf bereits laufende Diskussionen der Mitarbeiter, der Verbraucher und der Bürger Einfluss nehmen zu können", betont Bader.Mit dieser Erkenntnis im Gepäck ist es häufig eine treibende Kraft, ein Initiator im Unternehmen, der das Projekt maßgeblich pusht und auf Business-Seite für dessen Einführung wirbt. Schließlich erkennt das Management den Wert dieser Initiativen und greift sie auf. Dies gilt besonders für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Für Unternehmen bis 500 Mitarbeitern kommt eher der so genannte Top-Down-Ansatz zum Tragen. Hier ist das Top-Management die Triebfeder bei der Einführung von Enterprise 2.0. In jedem Fall dauern soziale Intranetprojekte vom Konzept bis zur Freischaltung meist zwischen drei bis fünf Jahren.
Welche Gruppen und ihr Involvement wichtig sind bei der Einführung von Enterprise 2.0:
- Die interne Unternehmenskommunikation ist eine der wichtigsten Stützen in allen Phasen des Projekts.
- Einfache Bedienbarkeit ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Enterprise-2.0-Tool - somit kommt der IT-Abteilung als Knowledge-Base ein wichtiger Part zu.
- In den meisten Fällen setzt der Erfolg von Enterprise 2.0 einen Veränderungsprozess innerhalb des Unternehmens voraus. Hier ist das Personalwesen (HR) gefragt, um Nachwuchs- und Talentmanagement zu steuern.
- Nur wenn Enterprise 2.0 die wesentlichen Business-Prozesse des Unternehmens unterstützt und zu besseren Ergebnissen führt, macht es Sinn. Daher ist die Beteiligung und Involvierung der Business-Verantwortlichen äußerst wichtig für die Akzeptanz des Projekts.
- Der Datenschutzbeauftragte und das Management für die Informationssicherheit gehören ebenso einbezogen, weil es wichtig ist Experten dieser Bereiche anzuhören und ernst zu nehmen.
- Besonders in Deutschland ist es unabdingbar den Betriebsrat bereits in einem frühen Stadium in die Pläne einzuweihen, weil man sonst riskiert, dass sich später Widerstand breit macht. Sie müssen nicht zwingend Teil des Implementierungsteams sein aber sie sollten über alle Schritte informiert werden.
- Der Expertenrat von Vertretern aus Weiterbildung und Entwicklung sollte eingeholt werden.
- Auch Evangelisten oder Social-Media-Enthusiasten gehören mit ins Team.
Am Ende des Prozesses steht eine Erfolgsgeschichte
Wenn alle wichtigen Aspekte in die Planung mit eingeflossen sind, kann Enterprise 2.0 tatsächlich zur Erfolgsgeschichte werden, wie das Beispiel der Synaxon AG , der größten IT-Verbundgruppe Europas zeigt. Sie hat vor fünf Jahren die interne Kommunikation ganz auf das unternehmensinterne Wiki umgestellt. Das klassische Intranet wurde komplett abgelöst. Folgt man den Erklärungen von Initiator Frank Roebers über das Projekt, dürften sich die Befürchtungen im Vorfeld von Enterprise 2.0 in Luft auflösen. Bei dem Synaxon-Beispiel funktioniert Enterprise 2.0 nach der Devise "wenige machen viel" und das soziale Netzwerk des Unternehmens informiert nicht nur, es arbeitet auch. "Unser Wiki schläft nie", sagt Roeders. Es sei Tag und Nacht in Betrieb und es sei immer etwas los.Im Einzelnen liest sich das wie folgt:
- 99 Prozent der Informationen sind für jedermann zugänglich.
- Genehmigungsprozesse gehen um 80 Prozent zurück, was die Arbeit der Führungskräfte stark entlastet.
- 120 Mitarbeiter bearbeiten täglich 500 Artikel.
- Die Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter ist von sechs Monaten auf vier Wochen geschrumpft.
- Durch den Einsatz des Wikis lassen sich 80 Prozent der Besprechungsthemen noch vor dem Meeting klären.
- Fünf Jahre nach der Umstellung ist die Mitarbeiteranzahl gleich geblieben bei zugleich drei mal mehr Partnern und der vierfachen Menge an Leistungen.
- 25 Prozent der Personal-Ressourcen können für neue Projekte genutzt werden.
- Die Einsparung durch das Bloggen beträgt zwischen 300.000 bis 450.000 Euro - im Vergleich zu kostenpflichtiger Onlinewerbung (Google AdWords).
Mit Enterprise 2.0 einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen ist demnach keine Illusion. Wer den Anschluss versäumt, der bleibt hinten, das ist sicher.