Frauen shoppen anders: Zehn Gebote der Shop-Optimierung für Frauen
05.12.2011 Geht es um E-Commerce, dann stammen Männer aus der Schublade, Frauen von Amazon. Die meisten Onlineshops sind für Männer gemacht, obwohl Frauen anders shoppen. Dumm gelaufen - denn weibliches Webdesign begünstigt lange Kundenbeziehungen und stärkeres Umsatzwachstum. Und auch wenn es nicht alle Männer zugeben: Auch ihnen gefallen für Frauen optimierte Shops besser.
Anstatt weibliche Bedürfnisse in Webdesign, Usability und Personalisierung anzusprechen, herrschen männliche Shoparchitekturen vor, die einzig dem pragmatischen Ziel dienen: Gucken, kaufen - und dann schnell wieder raus.
Warum Frauen lohnende Kunden sind
Eine Shop-Optimierung für die weibliche Klientel würde sich in mehrfacher Hinsicht lohnen:- Zum einen, weil die Kaufbereitschaft der weiblichen Zielgruppe stärker aktiviert wird.
- Weil sich Frauen häufig als die loyalere Kundschaft erweisen: Einmal von Kundenservice und Qualität eines Shops überzeugt, bleiben sie treu und geben zielgerichtet direkt die Adresse in den Browser ein (72,7 Prozent). Sie sparen den Umweg über Suchmaschinen oder Preisvergleichsportale aus. Männer dagegen gehen lieber auf Schnäppchenjagd und suchen und vergleichen was das Zeug hält, berichten jede Menge Untersuchungen, darunter die von EChannel
.
- Und schließlich, weil auch Männer vermeintlich "weibliches Webdesign" akzeptieren und schätzen, wie etwa Marketing to Women Online herausgefunden hat: Während Frauen klassische, von Männern erstellte Webdesigns oft ablehnen, akzeptieren Männer gerne auch von Frauen für Frauen optimierte Seiten. Eine Optimierung für weibliche Zielgruppen erschließt also beide Seiten.
In den USA hat der ECommerce-Markt das Potenzial eines weiblichen E-Commerce erkannt - Seiten sind deutlich stärker auf das Geschlecht des ankommenden Nutzers hin optimiert: Wer sich bei Amazon als eingeloggter Kunde ein Kindle anschaut, sieht ein Produktfoto, auf dem der E-Reader entweder von Frauenhänden oder von Männerhänden gehalten wird - angepasst ans Nutzer-Geschlecht. Unternehmen mit mehrheitlich weiblichen Kunden befinden sich auf dem aufsteigenden Ast und sammeln hohe Summen an Wagniskapital ein.
Oft würden schon einfache Modifizierungen des Webdesigns helfen, um eine Seite attraktiver für Frauen zu machen, wie die Studie Gender, Design and Marketing
herausgefunden hat. Da nach wie vor die Mehrheit der Seiten von Männern programmiert wird, findet eine geschlechterbezogene Optimierung meist nicht statt. Im Webdesign gibt es viele kleine Unterschiede mit großen Folgen für die Konversion:
- Potenzielle Kunden werden stärker von Bildern des eigenen Geschlechtes in der Produktdarstellung angesprochen.
- Männer programmieren meist Webseiten mit einer technisch-sachlichen Anmutung.
- Frauen bevorzugen runde gegenüber eckigen Formen und detaillierte Oberflächen-Texturen gegenüber akademisch-schlichten.
- Männer zeichnen Gesichter meist im Profil, Frauen bevorzugt frontal.
- Frauen bevorzugen mehr und strahlendere Farben im Layout.
Aus diesen und anderen Erkenntnissen ergeben sich die zehn Gebote der Shop-Optimierung für Frauen.
Gebot 1: Die Analyse frauenaffiner Seiten liefert Erkenntnisse für den eigenen Shop
Seiten mit einer hohen Frauenaffinität sollten eingehend betrachtet werden. Sie liefern Einsichten welche Inhalte, welche Darstellungsformen und Layouts Frauen sich bei Internetseiten wünschen. Die Erkenntnisse können für den eigenen Shop adaptiert werden. Besonders der Blick auf US-Shops lohnt sich, da diese den deutschen Angeboten weit voraus sind, wenn es um die Adressierung weiblicher Bedürfnisse geht: "In amerikanischen Shops, die sich an Frauen richten, können die Nutzerinnen Meinungen zum Produkt einholen, Fotos und Testberichte ansehen oder Freunde auf Facebook fragen, sie sehen, was andere Nutzerinnen auf der Seite tun", sagt Sandra Kröger."Das vielschichtige Erlebnis eines Einakufsbummels wird dort abgebildet und erfahrbar gemacht, ohne dass die Frauen die Seite überhaupt verlassen müssen."
Die deutschen Webseiten mit dem höchsten Frauenaffinitäts-Index | |||
---|---|---|---|
Unique User in Millionen | Frauenaffinitäts- Index | ||
1 | st-georg.de
| 0,03 | 190 |
2 | Leben & Erziehen
| 0,05 | 189 |
3 | liliput-lounge.de
| 0,10 | 189 |
4 | Mamiweb.de | 0,10 | 189 |
5 | Cosmoty.de
| 0,36 | 186 |
6 | Frauenzimmer.de
| 0,84 | 184 |
7 | howrse.de
| 0,11 | 184 |
8 | ELLE Online
| 0,14 | 180 |
9 | Wohnen & Garten Online
| 0,05 | 179 |
10 | BurdaStyle
| 0,10 | 175 |
11 | Für Sie | 0,04 | 174 |
12 | Glamour.de
| 0,42 | 172 |
13 | babycenter.de
| 0,42 | 166 |
14 | myself.de
| 0,06 | 166 |
15 | Petra | 0,02 | 166 |
16 | unsernachwuchs.de
| 0,02 | 166 |
17 | InStyle
| 0,12 | 164 |
18 | Lisa-Freundeskreis
| 0,05 | 163 |
19 | babyclub.de
| 0,25 | 162 |
20 | VIP.de
| 0,28 | 162 |
21 | stardoll | 0,10 | 161 |
22 | kinder.de | 0,08 | 160 |
23 | Schuelerprofile.de
| 0,03 | 159 |
24 | Vogue.de
| 0,28 | 159 |
25 | NetMoms
| 0,97 | 158 |
Gebot 2: Vernetzte Frauen lassen Ihr Geschäft schnell wachsen
Unternehmen können mit ihren Onlineshops von einer Zielgruppe profitieren, die besser vernetzt und sozial aktiver ist, als ihr männliches Pendant. Denn Frauen haben größere Netzwerke als Männer und verbringen mehr Zeit in Social Media:- So hat etwa die durchschnittliche Nutzerin von Facebook acht Prozent mehr Freunde als der durchschnittliche Nutzer,
- in sozialen Netzen insgesamt halten sich Frauen 30 Prozent länger auf als Männer, stellt Evestribe fest.
Darüber hinaus haben Frauen auf 71 Prozent aller Online-Kaufentscheidungen in Deutschland (USA: 80 Prozent) Einfluss.
Gebot 3: Männer folgen einer Mission und kaufen, Frauen suchen eine Erfahrung und shoppen
Umfragen haben ergeben, was Männer und Frauen an einem Einkauf im stationären Handel am meisten stört - die Ergebnisse bestätigen das Bild vom eiligen Käufer und der entspannt stöbernden Käuferin.Männer nervt:
- Parkplatzmangel,
- lange Wartezeiten an der Kasse und
- mangelnde Vorrätigkeit des Produktes
Sie verabscheuen also alles, was ihnen den Shopping-Trip lang macht und mögen im Umkehrschluss alles, was ihnen erlaubt, den Laden schnell wieder zu verlassen.
Frauen dagegen stört:
- Mangelnde Beratung und
- wenig hilfsbereites Personal
Sandra Kröger zieht ein Beispiel aus ihrem eigenen Büroalltag heran, um dieses Offline-Shopping-Verhalten auf das Internet zu übertragen. In ihrem Büro galt es, eine neue Lampe zu kaufen. Der männliche Kollege wollte direkt den Lampenshop ansteuern und eine einzelne Lampe für seinen Arbeitsplatz kaufen. Als sich Kolleginnen einmischten, entstand eine Diskussion, in deren Verlauf online Informationen eingeholt und Vergleiche angestellt wurden.
Daraus entstand schließlich die Idee, die Beleuchtung im gesamten Büro einheitlich zu erneuern, also ein ganzheitliches Beleuchtungskonzept zu erstellen. Der finale Besuch im Lampenladen endete dann anders, als es beim männlichen Kollegen der Fall gewesen wäre: Der Kollege hätte nach einer Stunde Onlinerecherche 100 Euro ausgegeben, um seinen Schreibtisch zu illuminieren. Daraus wurde mittels weiblicher Intervention ein 5-tägiges Projekt, das dem Shop eine Bestellung über 3000 Euro Warenwert brachte und neue Lichtmittel für das Gesamtbüro.
Der 30-fache Warenwert zeigt die hohe Bedeutung weiblicher Kundschaft: Shops müssen darauf hinarbeiten, das starke Informations- und Kommunikationsbedürfnis der Frauen im Einkaufsprozess online aufzufangen. Am besten so, dass die Kundin den Shop dafür nicht verlassen muss.
Gebot 4: Frauen geben etwas preis über sich, um Benefit zu erhalten
Kundinnen sind dankbar, wenn ihnen ein Shop individualisierte Angebote oder ein persönliches Layout bietet. Dafür sind sie auch bereit, detaillierte Informationen, besonders über ihren eigenen Geschmack, preiszugeben. Das sollte aber nicht über einen ewig langen Registrierungsprozess geschehen, sondern dem weiblichen Bedürfnis nach Ästhetik entgegenkommen. Ein schönes Beispiel liefert mystylist.de . Losgelöst von der Registrierung wird Nutzerinnen angeboten, persönliche Angaben zu Schuhgröße und Kleidergröße zu machen, um bessere Angebote zu erhalten. Oder Bildstrecken fragen spielerisch ab, welcher von zwei Bekleidungsstilen besser aussehe? Aus den Antworten entsteht ein sich stetig verengender Tunnel von Präferenzen was Farbe, Schnitte, Kleidungsstücke angeht. Diese Präferenzen können anschließend mittels personalisierter Darstellung oder Newsletter adressiert werden.
Daraus ergibt sich ein weiteres Gebot.
Gebot 5: Entschleunigen Sie den Kaufprozess zugunsten neuer Kontaktpunkte
Für Frauen gelten andere Konversionspfade als für Männer: Während Shops gut beraten sind, Männer, sobald der Warenkorb gefüllt ist, so schnell als möglich zum Check-out zu führen, darf bei Kundinnen der Kaufprozess sogar hinausgezögert werden: So kann es beispielsweise sinnvoll sein, einer Frau, die ein paar Schuhe bezahlen möchte, auf der Zielgeraden noch Bilder dazu passender Kleidungsstücke zu zeigen. Das zögert den Kaufprozess zwar hinaus, kann aber dazu führen, dass die Kundin a) dankbar für den Hinweis ist und b) Zusatzkäufe tätigt und c) weitere Daten liefert, was ihren Kleidungsgeschmack angeht.Gebot 6: Identifizieren Sie relevante Produkteigenschaften für Frauen
Frauen suchen anders als Männer. Diesen Suchbedürfnissen kommen die oftmals von männlichen Technik-Nerds entworfenen Shoparchitekturen selten nach. So lässt sich in Elektronikshops nach allen möglichen Produkteigenschaften, Preisen und Punkten in der Wertung sortieren. Aber eine Frau, die runde und schlanke Designs bevorzugt, kann eine Ergebnisliste mit Flachbildschirmen nicht nach Form des Gerätes oder Dicke des Rahmens sortieren lassen. Kaum ein Shop kommt auf die Idee, dass es Menschen gibt, die in einem Fernseher einen ästhetischen Einrichtungsgegenstand sehen, der zum Rest der Wohnung passen soll.Gebot 7: Passendes Produkt schlägt Preis
Da Frauen sich besonders als langfristige und wiederkehrende Kunden auszeichnen, ist es wertvoller auf Zufriedenheit zu setzen als auf möglichst hohen Warenwert. Ein mögliches Szenario wäre es, einer Frau, die einen teuren Artikel erwerben möchte, beim Bezahlvorgang ein ähnliches Produkt zu zeigen, das aber günstiger ist. Oder das möglicherweise aufgrund anderer Produkteigenschaften besser für sie geeignet ist: "Dieser Schuh könnte ihnen ebenso gut gefallen, aber er kostet weniger!" - "Diese Tasche hat das gleiche Design, bietet aber deutlich mehr Platz!".Gebot 8: Nennen Sie kurz- und langfristige Produkteigenschaften
Frauen sind häufiger als Männer an langfristigen Problemlösungen interessiert. Während Männer die bloße Anzahl positiver Bewertungen reicht, möchten Frauen häufiger wissen, ob ein Artikel auch nach sechs Monaten noch etwas taugt oder dann vielleicht schon kaputt sein wird. Deswegen empfiehlt sich bei der Integration von Testberichten der Blick auf das Nutzergeschlecht: Frauen sollten Berichte zu Gesicht bekommen, die Langzeit-Tests von Produkten vornehmen. Sie sollten Nutzerstimmen sehen, die berichten, dass sie auch nach einem längeren Zeitraum immer noch zufrieden mit dem Artikel sind.
Gebot 9: Zeigen Sie verschiedene Nutzungssituationen
Frauen ordnen Produkte deutlich stärker als Männer in den Kontext der Nutzungssituation ein und stellen bei Bewertungen einen Zusammenhang mit dem Nutzer her. Bedeutet: Ein Mann akzeptiert positive Testberichte relativ unhinterfragt. Eine Frau dagegen neigt dazu nachzufragen: "Ist das, was für Nutzer A in Situation X funktioniert, auch für mich und meine Situation sinnvoll?" Kundinnen fragen eher als Kunden nach, ob ein schönes Möbelstück auch in einer anderen Umgebung funktioniert als der abgebildeten, ob ein von einer 16-Jährigen positiv bewerteter Kosmetikartikel auch für die 30-jährige Haut geeignet ist.Shopbetreiber können dem Rechnung tragen, indem sie mannigfaltige Testberichte liefern, die von Nutzern mit unterschiedlichen Profilen stammen und Bilder einbauen, die ein Produkt in unterschiedlichen Nutzungssituationen zeigen. Auch hier kann es einen großen Unterschied ausmachen, ob das Produkt von einem männlichen oder weiblichen Modell vorgeführt wird.
Gebot 10: Zeigen Sie Meinungen und Erfahrungen anderer
Kundinnen sprechen darauf an, wenn Identifikationsfiguren ihnen mitteilen, warum ein Produkt oder eine Marke gut ist. Solche Testimonials sollten als Zitat mit Bild auf der Seite eingebunden werden. Stammen können sie etwa von- Kundinnen
- Freunden oder Partnern von Kundinnen
- Mitarbeitern
- Prominenten
Auch deutlich sichtbare Verlinkungen auf den Social-Media-Auftritt geben Besuchern die Gelegenheit zum Meinungsaustausch.
Werkzeugkasten: Ein paar Regeln für weibliches Webdesign
Frauen sehen ganzheitlich:- Daher steht die harmonische Beziehung der Inhalte zueinander im Mittelpunkt.
- Ebenso wichtig ist die Möglichkeit, selbst damit in in Beziehung zu treten.
Ein Beispiel: Für eine mögliche Kundin ist nicht nur der Schal, das Paar Schuhe oder die Jacke interessant, sondern das harmonische Zusammenspiel der Kleidungsstücke in einem harmonischen Look. Manche Shops bieten daher neben Bildern von stilvoll gekleideten Models den "Shop the look"-Button an. Damit muss sich die Kundin nicht umständlich jeden Artikel heraussuchen, sondern füllt den Warenkorb mit einem Klick mit sämtlichen abgebildeten Artikeln in den abgebildeten Farben.
Frauen haben hohe Ansprüche:
- Sie wollen das Gefühl haben, da kümmert sich jemand.
- Das gilt für die Qualität der Produktdarstellung genauso wie für das gesamte Designkonzept.
- Stecken Sie lieber ein paar Euro mehr in die Ästhetik als in ein weiteres technisches Feature.
Frauen sind Sammlerinnen - ergo:
- Shops dürfen also ihr Design und ihre Navigationskonzepte entschleunigen.
- Richten Sie Suchfunktionen und Filtermöglichkeiten nach menschlichen Bedürfnissen aus, nicht nach nackten Fakten (etwa: Suche nach bestimmten Design-Attributen)
Frauen mögen lebendige Designs:
- Verwenden Sie mehr Farbe!
- Experimentieren sie mit ungewöhnlichen Schriften, unterschiedlichen Stilelementen und liebevollen Details
- Dabei darf ihr Design-Raster gern in den Hintergrund treten: Frauen lehnen Käfighaltung von Inhalten konsequent ab.
Wie Shops für Frauen optimieren - und damit noch männliche Kunden überzeugen - war Thema einer Präsentation von Sandra Kröger und Heinke Eichhorn von der auf Onlinethemen spezialisierten Beratung und Agentur Rascasse.com auf dem ECommerce-Tag 2011 des BVH . Sie ist Grundlage dieser Analyse.