Zum Dossier 'Temu-Strategie'
Wie Agentur-Chefs ihr Unternehmen in Zukunft wirklich erfolgreich machen
07.03.2012 Fragmentierte Zielgruppen, eine explodierende Zahl an Instrumenten und das Internet verändern Agenturen und deren Arbeit massiv. Wie diese Veränderungen konkret aussehen, wie sich die Stundensätze von Agenturen entwickeln und warum ein CEO kein Flatterhannes sein darf.
Eine Agentur, die sich zum Beispiel auf elektronische Produkte konzentriert, muss sich sehr genau mit den sich verändernden technischen Features auskennen und diese kommunizieren können. Dass bei einer Agentur mit einem Fokus auf dem Apothekensegment das Knowhow ein anderes sein muss, versteht sich von selbst. Das Knowhow betrifft aber nicht nur die jeweilige Produktwelt, sondern auch die Strukturen, in denen der Kauf stattfindet. Auch hier kann man zum Beispiel die Vertriebskanäle für technische Konsumgüter nennen, die durch einen Verlust des Facheinzelhandels und einen sehr stark gestiegenen Einfluss der Fachmärkte gekennzeichnet sind. Der Einfluss des Internets ist auch hier gestiegen. Werbetreibende Kunden wünschen ein neuartiges Reporting über den Erfolg der Projekte. Dies soll natürlich zeitnah erfolgen, um die entsprechenden Aktionen noch anpassen zu können.
Wie sich Agenturen verändern
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Jetzt Mitglied werdenWas bedeutet das im Umkehrschluss? Was sagen diese Daten über die Vielschichtigkeit meines Kaufverhaltens, meiner Kunden, meiner Klientel wirklich aus?: "Aus diesem Wissen heraus können wir wiederum ganz neue und maßgeschneiderte Aktionen setzen, die wieder zur Markenführung beitragen. Eine Agentur, die vor einigen Jahren nur Menschen und Werbematerial an den POS gestellt hat, muss heute auch Teilaufgaben der Distribution erfüllen. Das wurde 'damals' vom werbetreibenden Unternehmen geleistet."
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Jetzt Mitglied werdenÜber die Vernetzung der Online- und Offline-Welt habe ich auch mit Gernot Lingelbach gesprochen, der bei der UGW (Unternehmensgruppe Wiesbaden) als Geschäftsführer arbeitet. "Sie finden heute eine starke Vernetzung, zum Beispiel wenn es um Gewinnspiele geht. Hier werden meistens elektronische Medien genutzt. Oder denken Sie an die fast schon obligatorischen Vernetzungen zum Social-Media-Bereich."
"Klassische Agenturen haben gute Ideen für den POS, aber sie tun sich in der Umsetzung schwer!"
Er weist außerdem auf das Reporting bei personalgestützten Aktionen hin: "Heute können Promotor ihre Ergebnisse direkt in ihr Smartphone eingeben und der Kunde sieht online tagesaktuell Kontakte, Conversion Rates und Abverkäufe." Lingelbach ist auch der höhere Grad an Effektivität wichtig, der heute von Kunden gefordert wird: So müsse man heute sehr viel effizienter arbeiten. Das sei ein wichtiger Punkt für den Kunden. "Die Ergebnisse müssen messbar sein. Sie sollten beurteilen können, ob ein Gewinnspiel am POS, eine Zugabe, ein Code auf der Packung oder ein Coupon sinnvoller ist", argumentiert Lingelbach. Bei vielen Mechaniken könne man das sehr genau darstellen. Bei Couponing-Maßnahmen ist es ein Leichtes, die Einlösequoten sichtbar zu machen, bei Gewinnspielteilnahmen die entsprechenden Werte abzulesen. Die einzelnen Kommunikationsinstrumente sind heute stärker miteinander verwoben. Gerade bei größeren Kampagnen wird die Idee integriert gespielt und über alle Kommunikationskanäle durchgesetzt. "POS-Marketing wird zudem stetig handels- und shopperorientierter. Der Handel will zunehmend individuellere Konzepte, und Sie müssen genauer als früher schauen, wer wo einkauft und wie er sich dann dort verhält." Früher habe man gesagt, dass die Pappe und der Promoter in jedem Kanal gleich aussehen sollten. Heute wird stärker zwischen den unterschiedlichen Vertriebsschienen differenziert. Es sei eben ein Unterschied, ob man sich im selbstständigen Lebensmitteleinzelhandel oder in der filialisierten Drogerie bewegt. Weil das Wettbewerbsrecht liberalisiert wurde, könne man auch stärker kaufgekoppelte Mechaniken verwenden. "Sie kaufen ein Produkt und haben einen Sofortgewinn, den Sie bei einem Kooperationspartner einlösen können. Oder Sie müssen erst eine bestimmte Anzahl an Produkten gekauft haben, um einen Sammelgewinn zu erreichen."
Hat er den Eindruck, wollte ich von Gernot Lingelbach wissen, dass die klassischen Agenturen das Thema POS verstanden haben? Lingelbachs Einschätzung zufolge haben viele gute Ideen, aber tun sich im Detail schwer. Eine tolle Idee zu haben, sei eine Sache. Aber ob man sie in den einzelnen sehr speziellen Vertriebswegen auch umsetzen kann, ist eine andere Frage. Lingelbach erarbeitet schriftliche Briefings an die Klassikagentur, wie Motive für bestimmte POS-Materialien geshootet werden sollen, damit diese auf den Flächen im Handel auch gut einsetzbar sind. "Natürlich denken sich die Kreativen in den Klassikagenturen lieber die großen Kampagnen aus als POS-Ideen zu entwickeln. Für Manager und Berater in den Agenturen gehört es deshalb zur vornehmsten Aufgabe, die Kreativen dafür zu sensibilisieren, dass es zwar gut und richtig ist, sich über 1/1-Anzeigen im Stern Gedanken zu machen, es auf der Zielgeraden beim Wettrennen um den Shopper aber wichtiger sein kann, über einen 3-Quadratzentimeter-Aktions-Störer auf einem Joghurtdeckel oder über einen Regalwobbler nachzudenken", mahnt er.
Wie sich die Anforderungen an PR-Agenturen verändern
Wie haben sich die Anforderungen an eine Public-Relations-Agentur verändert? Oliver Schrott , Geschäftsführer der Kölner PR-Agentur Oliver Schrott Kommunikation , berichtet, dass das gesamte Kommunikationsgeschäft deutlich komplexer geworden sei. So war PR in den 90er-Jahren vor allem Pressearbeit mit Schwerpunkt auf Print-Medien. Umfassende, medienübergreifende Kampagnen gab es so gut wie nicht. Und die Disziplin war stark textorientiert. "Heute muss eine PR-Agentur multimedial arbeiten und alle Kanäle bedienen, um fragmentierte Zielgruppen zu erreichen. Viele Kunden stellen heute außerdem internationale Anforderungen. So leben sie in einer Zwickmühle aus erhöhtem Kostendruck und der Notwendigkeit, mehr in Personal zu investieren", erklärt der Fachmann. Früher habe man in einer PR-Agentur vor allem Journalisten und studierte Geisteswissenschaftler beschäftigt. "Heute benötigen wir hier Experten aus den unterschiedlichsten Themengebieten, dazu Grafiker, Architekten und Bewegbild-Spezialisten", so seine Erfahrung.
Was die künftige Positionierung von Agenturen angeht, werden laut Schrott die Unterschiede zwischen den Agentursparten mehr und mehr verschwinden. Denn der Kunde will heute in erster Linie ein Kommunikationsproblem gelöst haben. "Gerade die großen Agenturen werden deshalb noch stärker alle Disziplinen abdecken, die kleineren eher Nischen besetzen und sich damit profilieren. Mittelgroße Generalisten werden sich dazwischen zunehmend schwertun. Der Kunde wird genau hinschauen müssen, wo die Spezialitäten der einzelnen Agenturen sind". PR-Agenturen werden Schrott zufolge immer einen Schwerpunkt in diesem Bereich haben, auch wenn sie die gesamte Bandbreite der Kommunikation abdecken, ebenso wie eine Werbeagentur ihre Konzepte eher um eine klassische Werbekampagne herum entwickeln wird. "Wenn ein Kunde eine klassische Kampagne braucht, wird er deshalb bevorzugt zu einer Agentur gehen, die dort ihre Wurzeln hat oder sich entsprechend profiliert hat. Jede Agentur wird natürlich versuchen, möglichst viel von dem zu verkaufen, wo sie sich am besten auskennt. Der Metzger hat heute auch belegte Brötchen im Angebot. Aber er wird Ihnen keinen Obstkuchen verkaufen."
Wie sich die B2B-Kommunikation verändert
Der Schwerpunkt der bisherigen Beschreibung war die B2C-Kommunikation. Was aber hat sich in den vergangenen Jahren in der B2B-Kommunikation verändert? Einen Eindruck vermittelt Frank Merkel , der bei der Viernheimer Agentur WOB als Vorstand tätig ist. "Der jahrelange Technologievorsprung vieler Unternehmen ist rasant abgeschmolzen. Dies liegt an der dramatisch steigenden Kopierkompetenz des Wettbewerbs, aber auch an der Tatsache, dass zum Beispiel China selber immer mehr eigene hervorragend ausgebildete Entwickler hat., holt er aus. Lenovo , der mittlerweile zweitgrößte PC-Hersteller, ist Merkels Auffassung nach ein Beispiel für einen wirklich globalen Wettbewerb. Auf diese Herausforderung muss man mit einem virtuosen Einsatz des kompletten Marketingmix reagieren. Man müsse die Kraft der Marke auch im B2B-Bereich vollständig ausspielen. "Marken wie Stihl , Kärcher , Siemens , Würth , aber auch Hidden Champions wie ebm-papst sind die entsprechenden Leuchttürme und Pioniere. Sie leben einen neuen Megatrend vor: B2B entdeckt den Wert der Marke."
Warum es keine neuen Agenturmodelle gibt
Sehr kleine Strukturen, die sich als Freelance-Networks positioniert haben und mit denen ein Kunde eine professionelle Lösung ohne weitere Kosten für den bürokratischen Wasserkopf bekommt, haben es in der Vergangenheit nicht geschafft, ausreichend renommierte Kunden zu gewinnen. Dies liegt sicher auch daran, dass Kunden Sicherheit wollen und schlichtweg Menschen bei der Arbeit sehen wollen, wenn sie sich eine Agentur anschauen. Sie wollen keine virtuellen Dienstleister.
Die Sicherheit, dass ein Texter nicht wegen einer anderen Aufgabe, die ihm ein paar Euro mehr einbringt, den Job fallen lässt, honorieren sie bereitwillig. Die Argumentation geht noch weiter: Damit ein Marketingleiter seinem Vorgesetzten die notwendige Sicherheit bei einer entsprechenden Agenturwahl zusagen kann, ist er auch bereit, eine Agentur zu wählen, die mit ihrem Namen Sicherheit gibt. "Ich bin doch schon zur Network-Agentur XY gegangen. Wenn die den Job versemmelt haben, dann wäre das auch bei jeder anderen Agentur der Fall gewesen." Dass eine solche Argumentation der Realität nicht unbedingt standhält, steht außer Frage.
Freelancer: Gute Ideen, aber oft keine Power in der Ausführung
Immer wieder hört man auch, dass es neben den etablierten Agenturmodellen neue Möglichkeiten gibt, welche die etablierten Modelle infrage stellen. Oft ist die Rede von kleinen freien Strukturen, die schnell und kostengünstig gerade kreative Jobs abwickeln können. Für wie sinnvoll hält man alternative Agenturmodelle? Andreas Geyr , CEO Europe bei Euro RSCG in Düsseldorf, meint dazu: "Ich kenne kein Beispiel, wo so was funktioniert hat. Es mag sein, dass mal eine Agentur einen Pitch gewonnen oder eine nette Kampagne gemacht hat. Aber die Wahrheit ergibt sich dann im Tagesgeschäft über einen Zeitraum von drei Jahren und über alle Disziplinen."
Geyrs Auführungen nach, kann es sich kein Kunde erlauben, der Agentur wieder alles von vorne zu erklären. Der Aufwand sei einfach zu groß. Außerdem bräuchte man eine große exekutive Power und das in einer großen Konstanz. "Was hier bei uns eingebrieft wird und wo der Kunde sehr schnell ein Ergebnis erwartet, das ist mitunter der Wahnsinn. Das geht nicht ohne gewisse Strukturen. Freelancer können schon mal was Gutes hinstellen, vielleicht auch was Besseres. Das will ich überhaupt nicht ausschließen. Aber sie halten es nicht durch. Wenn man mit Strukturen von 50 oder 60 Mann arbeitet, dann gibt es da eine Power, mit der man arbeiten kann. Wenn es kleiner wird, wird es ganz schwierig", ist sich Geyr sicher.
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Jetzt Mitglied werdenFreelancer-Netzwerke scheinen aufgrund ihres Angebots kostengünstig zu arbeiten und die richtigen Leute auf ein Projekt "matchen" zu können, eine Lösung zu bieten. Es wird argumentiert, man bezahle hier nicht den administrativen Wasserkopf und man kenne genau die spezialisierten Leute, die für das jeweilige Projekt die richtigen sind. Andreas Geyr hält dagegen: "Gerade bei Freelancer-Networks arbeiten die Leute, wenn man sie braucht, gerade an einem anderen Projekt. Ohne Kontinuität und die Verfügbarkeit der Leute funktioniert das Geschäft nicht. Bei ganz spezifischen Themen kann ich mir von kleinen Strukturen Hilfe einkaufen. Dafür ist das alles wunderbar", so Andreas Geyr. Kleine Agenturstrukturen haben außerdem den Nachteil, dass sie größere Projekte wegen des notwendigen Cashflows auch finanziell nur sehr schwer umsetzen können. Sie haben einfach nicht die Möglichkeiten, um bestimmte Arbeiten vorab finanzieren zu können.
Was Agenturen kosten und welche Kosten entstehen
Wenn Freelance-Strukturen kaum eine Chance haben, obwohl sie sich so preisgünstig positionieren, wie werden dann die Agenturen bezahlt? Welche Kosten entstehen? Agenturen mit einer hohen Bekanntheit und einem ebensolchen Renommee können ohne Probleme einen durchschnittlichen Stundensatz von über 100 Euro durchsetzen.
Die Arbeit eines Geschäftsführers ist den Kunden sogar 350 Euro pro Stunde wert. Wenn man bei solchen Agenturen als Einkauf die Stundensätze drücken will, so wird man dies mit einer höheren Stundenanzahl bezahlen. Bei den etwas weniger bekannten Agenturen in der zweiten Reihe oder auch bei denen, die ihren Standort nicht in den Werbehochburgen haben, sieht die Lage anders aus. Hier freut man sich über jede Pitch-Einladung und ist dankbar für jeden neuen Kunden. Die Kostenstruktur ist im Vergleich zu der der Großen eine andere. Der durchschnittlich erzielbare Stundensatz liegt deutlich unter 100 Euro. Wenn solche Agenturen bei den großen Werbetreibenden zum Einsatz kommen, so gibt man ihnen meistens nur Projekte der zweiten Kategorie, es sei denn, eine Agentur hat sich stark spezialisiert.
Auch kleine Agenturen können zum Beispiel große Messestände konzipieren und umsetzen, wenn sie hier ihre Kernkompetenz haben. Fragt man nach den Ursachen, warum kleine Agenturen nicht die ganz großen Projekte bekommen, so liegen diese nicht primär in einer schlechteren Qualität, die diese Dienstleister abliefern. Auch eine Agentur, die man nicht in den Kreativ-Rankings findet, kann gute Arbeit leisten, wenn die Mitarbeiter zum Beispiel ihre Erfahrungen in den großen Agenturen gemacht haben.
Der Einkauf scheint sich in vielen Fällen darüber im Klaren zu sein, dass hier die Kostenunterschiede nicht durch die abgelieferte Qualität gerechtfertigt sind. Viele Marketingverantwortliche lassen sich aber lieber von den bekannten Agenturmarken bedienen, da sie eine solche Zusammenarbeit auch als Absicherung ihres Jobs ansehen. "Wenn ich schon zu einer der kreativsten Agenturen Deutschlands gegangen bin und die haben den Job nicht hinbekommen, wer hätte es dann besser machen können?", sagen sie sich. Aber in einem Land, wo Geiz geil ist, geht es auch noch günstiger als oben beschrieben.
Sucht man sich einen Dienstleister in Berlin, so wird man hier für durchschnittlich unter 50 Euro pro Stunde bedient. Wie sich das rechnen kann, erschließt sich mir nicht. Wie man damit überleben kann, noch weniger. In der Interaktiv-Szene sind die Honorare nicht ganz so niedrig, aber auch hier sind Unterschiede deutlich. In den neuen Bundesländern sind laut demiBusiness Honorarleitfaden Geschäftsführer-Beratungsstunden mit 84 Euro noch am preiswertesten. Spitzenreiter bei den interaktiven Gehältern sind Bremen und Hamburg, die mit 145 Euro beziehungsweise 166 Euro Stundensatz die obere Spitze in Deutschland eingenommen haben.
Knowhow, Kompetenz und Beratung sind das, was Agenturen am besten verkaufen können: Spitzenreiter bei den Stundenhonoraren der Agenturen und Freelancer ist der Bereich Ist-Analyse bei den Beratungsdiensten, mit einem Anstieg von 23 Prozent. Aktuell verlangen die Dienstleister im Durchschnitt 84 Euro für Arbeiten in diesem Bereich. Die zweithöchste Steigerung bei den Honoraren ist bei den Stundenhonoraren der Geschäftsführer zu finden. Hier verlangen Agenturen und Freelancer mit durchschnittlich 111 Euro Stundenhonorar im Durchschnitt, zusammen ein Fünftel mehr als 2006. Auch hier haben die Freelancer gut zugelegt, seit 2006 um ein Viertel mehr, während Agenturen weniger als ein Sechstel mehr für eine Stunde Beratung ihres Geschäftsführers veranschlagen.