„Mehr Berater als Kita-Plätze“ Doch nicht nur die Konkurrenz um die besten Mitarbei- ter ist hoch. Auch die schiere Menge der Unternehmen und Freelancer sorgt in Berlin für harten Wettbewerb. Christian Lubasch beispielsweise sieht viele Agenturen und Berater, die versuchen, sich gegenseitig Kunden abspenstig zu machen: „Wahrscheinlich gibt es bald mehr Selbständige Berater (Freelancer) als Kita-Plätze.“ Alexandra Buckard, Geschäftsführerin der Agentur Emi- lian, sieht Berlin mit einem lachenden und einem wei- nenden Auge: „Da es hier eine Vielzahl an Kunden aus verschiedensten Branchen gibt, gestaltet sich der Markt sehr vielfältig. Der Konkurrenzdruck ist hoch, weshalb wir uns darauf konzentrieren, den persönlichen Kundenkon- takt extrem zu pflegen.“ Sie empfiehlt neuen Unterneh- men in der Marketingbranche, sich auf einen bestimm- ten Aspekt besonders zu spezialisieren und die Agentur daraufhin zu vermarkten. „Berlin bietet sich als zentrale Geschäftsstelle an, da der Markt hier vielseitig ist.“ Der Berlin-Boom habe „Vor- und Nachteile“, konstatiert auch Thomas Praus, Geschäftsführer der Onlinemarke- ting-Agentur Panorama 3000: „Die Mieten steigen und die Ansprüche der Talente ebenso.“ Während Start-ups einfacher an Geld kommen, hätten es Dienstleister hin- gegen schwerer. Er klagt: „Die Gehälter müssen steigen, gleichzeitig stagnieren die Budgets der Auftraggeber. Der Kostenvorteil, den Berlin durch günstige Lebenshaltungs- kosten einst hatte, ist weg. Irgendwann wird sich das auch auf die Kreativität auswirken, wenn alles der Effizi- enz untergeordnet wird.“ SEO-Berater Stephan Czysch erinnert sich wehmütig: „Vorbei sind die Zeiten, in denen (größere) Büroein- heiten für Mietpreise im einstelligen Eurobetrag zu ha- ben waren.“ Er erzählt: „Bei jedem unserer Umzüge war es ein Aha-Erlebnis, wenn wir im Zuge einer Nachver- mietung die neuen Mietpreise gehört haben.“ Ohne die entsprechende Kapitaldecke werde es schwer, „neben einem attraktiven Büro vor allem die notwendigen Ta- lente zu finden und diese langfristig zu halten.“ Benjamin Deutscher, Senior Director und Leiter des Berliner Büros der VW-Tochter und Digitalexperten di- conium, sieht dieses Problem auch: „Es ist kein Geheim- nis, dass der kritische Erfolgsfaktor unserer Unternehmen die Gewinnung internationaler Top-Talents ist.“ Er sieht die Hauptaufgaben des digitalen Ökosystems darin, die Attraktivität des Arbeitsstandorts Berlin zu steigern: „Berlin ist bunt, lebendig und weltoffen. Es bringt alles mit, um große Visionen in die Realität umzusetzen.“ Thomas Praus plädiert hingegen zudem für eine Quali- tätsoffensive, die den steigenden Kosten gerecht wird: „Wir müssen die Positionierung umdrehen: Berlin muss www.ibusiness.de/ibex zum Premiumstandort werden, wo man die besten Ideen bekommt, die aber auch entsprechend kosten.“ Für die meisten Befragten gilt das, was Christoph Eck- Schmidt für sein Unternehmen formuliert: „Für uns gibt es keinen besseren Standort. Danke Berlin!“ Benjamin Deutscher sieht Berlin gar „erst am Anfang einer groß- artigen Entwicklung stehen“, die „zwangsläufig“ auch wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel mit sich bringen wird. Beate Müller wiederum, Managing Director Digital Marketing bei Dept Agency, sieht die Verrücktheit der Stadt als einen ihrer Hauptvorteile: „Gerade als Digitalstandort unterscheidet sich Berlin si- cherlich zu den südlich gelegenen Standorten wie Frank- furt, Stuttgart oder München in seinem Auftreten. Hier wird an jede noch so verrückt anmutende Idee erstmal geglaubt und Sponsoren werden immer gefunden.“ Al- lerdings warnt sie: Berlin müsse bei all dem Glanz & Gloria „aufpassen, nicht zu arrogant zu wirken.“ Doch trotz allem ist sie sich sicher: „Berlin als Digitalstandort wird sich selbst treu bleiben: Wissbegierig, authentisch, Open-Minded & unfassbar sexy!“ Standortauswertung Marketing - Digital - E-Commerce MARKETING Anteil der deutschen Dmexco-Aussteller Berlin 20,0% Frankfurt 5,0% Hamburg 12,0% Köln/Düsseldorf 15,0% München 12,0% Berlin Frankfurt Hamburg Köln/Düsseldorf München E-COMMERCE 8,6% 8,5% 12,1% 0,5% 1,0% 5,6% 4,5% 5,1% 4,9% 5,1% Umsatzanteil an den Top-1.000-Onlineshops Anteil an den Top-1.000-Onlineshops Berlin Frankfurt Hamburg Köln/Düsseldorf München DIGITAL 19,5% 18,6% 3,3% 7,7% 10,5% 1,0% 1,1% 3,0% 1,8% 11,9% 12,9% 14,1% 13,6% 15,7% 15,9% Mitarbeiter-Anteil Umsatzanteil Anteil Zahl der IAR-Agenturen Quelle + Grafik: HighText Verlag Standortauswertung Marketing - Digital - E-Commerce für die wichtigsten deutschen Metropolregionen. Leseanleitung: In Berlin sind 3,3 Prozent aller im IAR gelisteten Fullservice-Internetagenturen ansässig. Sie machen mit 19,5 Prozent der Mitarbeiter der IAR-Agenturen 18,6 Prozent des IAR-Umsatzes. 43