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Medizin wird digitaler - ganz langsam auch in Deutschland
14.10.2022 Virtual Reality im OP, KI bei der Diagnose, Video-Sprechstunde: Ärztinnen und Ärzte wünschen sich digitale Angebote. Die Mehrheit kritisiert jedoch unzureichenden Schutz vor Cyberangriffen auf Krankenhäuser und Praxen und wünscht sich weniger strengen Datenschutz.
Das sind deutlich mehr als vor zwei Jahren, als es noch 60 Prozent waren. Zwei Drittel (67 Prozent) fordern mehr Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, ebenfalls eine deutliche Steigerung gegenüber 2020 (57 Prozent). Mehr als drei Viertel der Arztinnen und Ärzte in Deutschland (76 Prozent) sehen die Digitalisierung grundsätzlich als Chance für die Medizin - 2020 waren es noch 67 Prozent. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage, die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem Ärzteverband Hartmannbund unter mehr als 500 Medizinerinnen und Medizinern in Deutschland durchgeführt hat.
Demnach sind zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten der Ansicht, digitale Technologien würden die medizinische Versorgung der Menschen grundsätzlich verbessern. Die Hälfte (50 Prozent) verbindet damit auch eine Senkung der Kosten für das Gesundheitssystem.
Die Hälfte der Klinik-Ärzte wünscht sich KI
Bei Diagnose und Behandlung ist High-Tech in den Kliniken noch nicht in der Breite im Einsatz, wird aber von vielen gewünscht. So werden bei einem Fünftel der Krankenhausärztinnen und -ärzte (19 Prozent) Roboter zur Unterstützung bei Operationen und Eingriffen genutzt. Künstliche Intelligenz etwa zur Auswertung von Röntgen- oder MRT-Bildern ist bei knapp einem Zehntel (9 Prozent) in der Klinik im Einsatz, weitere 54 Prozent nutzen KI in ihrem Haus nicht, würden dies aber befürworten. Virtual Reality für Trainingszwecke oder Operationen wird bei 8 Prozent genutzt, zwei Drittel (65 Prozent) fänden die Technologie für ihr Krankenhaus sinnvoll.Auch telemedizinische Anwendungen finden in der Klinik zunehmend Verbreitung: Bei 32 Prozent werden Telekonsile mit anderen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt, bei 14 Prozent werden Videosprechstunden angeboten, bei einem Zehntel (10 Prozent) werden bestimmte Untersuchungen oder OPs von Fachleuten per Video aus der Ferne unterstützt.
In Praxen ist die Nutzung digitaler Angebote noch etwas zurückhaltender. Bei knapp einem Fünftel (18 Prozent) werden Video-Sprechstunden angeboten, weitere 30 Prozent erachten dieses Angebot für sinnvoll. Deutlich mehr als die Hälfte (57 Prozent) nutzen in ihrer Praxis noch keine Telekonsile mit Fachkolleginnen und -kollegen, wünschen sich dies aber. Erst bei jedem und jeder Zehnten (11 Prozent) werden in der Praxis Konsile mit Hilfe von Telemedizin realisiert.
9 von 10 Ärzte kritisieren Komplexität des Gesundheitssystems
Dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch nicht weiter fortgeschritten ist, liegt nach Ansicht der weit überwiegenden Mehrheit aller befragten Ärztinnen und Ärzte an der Komplexität des Gesundheitssystems (91 Prozent). Die Digitalkompetenz der Patientinnen und Patienten wird von mehr als der Hälfte als mangelhaft beschrieben (58 Prozent) und die der Ärzteschaft von einem etwas geringeren Anteil (46 Prozent). Eines der größten Hindernisse für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens sind aus Sicht der Medizinerinnen und Mediziner auch eine zu strenge Auslegung des Datenschutzes (69 Prozent) sowie der hohe Aufwand für IT-Sicherheit (75 Prozent).Für viele Ärztinnen und Ärzte sind der Datenschutz bzw. eine aus ihrer Sicht übertriebene Auslegung von Datenschutzvorschriften ein Hemmschuh. So betonen 71 Prozent, strenge Datenschutzvorgaben erschwerten oftmals den medizinischen Fortschritt. Im Jahr 2020 lag dieser Wert noch bei 60 Prozent. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) fordert, der Datenschutz solle weniger streng ausgelegt werden, um den Gesundheitsschutz zu verbessern - 22 Prozentpunkte mehr als 2020, als erst 32 Prozent diese Meinung vertraten.
Große Sorge vor Cyberangriffen auf Praxen und Kliniken
Das Thema IT-Sicherheit bereitet den Ärztinnen und Ärzten sowohl in Kliniken als auch in den Praxen Sorgen. Drei Viertel (74 Prozent) der Ärzteschaft im Krankenhaus sehen Kliniken in Deutschland häufig nicht ausreichend vor Cyberangriffen geschützt. 69 Prozent meinen, Ärztinnen und Ärzte sollten sich stärker mit IT-Sicherheit beschäftigen - und zwei Drittel (66 Prozent) sorgen sich konkret vor Cyberangriffen auf Krankenhäuser.Zu: Medizin wird digitaler - ganz langsam auch in Deutschland
https://www.hartmannbund.de/wp-content/uploads/2022/10/Bitkom_Charts_AerzteschaftDigital_2022_final.pdf
Dort sieht man z.B., dass - nach dem Telefon - am häufigsten das Fax verwendet wird: 57 % der Kliniken und sogar 63 % der Praxen. Die Nutzung von email erreicht 24 % in Kliniken und 30 % in Praxen.
Zu: Medizin wird digitaler - ganz langsam auch in Deutschland
Ergänzende Aspekte zum Thema Fax in Kliniken und Arztpraxen
"Aus rechtlichen Gründen ist das Fax unweigerlich ein Auslaufmodell, soweit personenbezogene und damit sensible Gesundheitsdaten betroffen sind. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Bremen griff bei einem Generalangriff denn auch zum großen Hammer: Das Fax habe hinsichtlich der Vertraulichkeit das gleiche Sicherheitsniveau wie eine unverschlüsselte E-Mail, und diese werde ?zu Recht als digitales Pendant zur offen einsehbaren Postkarte angesehen?, gab sie vergangenes Jahr auf ihrer Homepage zum Besten.
Das Fax so daten(un)sicher wie eine Postkarte? Dr. Imke Sommer beließ es nicht bei dem gewagten Vergleich, sondern schritt auch gleich zur Tat und untersagte der Bremischen Verwaltung, die Faxtechnik überhaupt noch für die Übermittlung personenbezogener Daten zu verwenden. ?Wie ein Donnerschlag? sei diese Anweisung durch die datenschutzrechtliche Welt gegangen, beschrieb der Medizinrechts-Anwalt Dr. Florian Hölzel die Reaktionen. [...] Die Aufsichtsbehörden in anderen Bundesländern äußerten sich großteils noch nicht so harsch, aber in der Sache doch in die gleiche Richtung. Dabei spielt die technische Entwicklung der letzten Jahre eine entscheidende Rolle. Früher wurden die Faxe ganz über die Telefonleitungen übermittelt. Heute dagegen werden sie in der Regel als Datenpakete über das Internet versendet oder in E-Mails umgewandelt. Unverschlüsselte E-Mails aber sind, soweit sie Patientendaten beinhalten, auch nach Auffassung der KV Nordrhein ?absolut tabu?. Bei E-Mails kommt noch erschwerend hinzu, dass sie im Gegensatz zum alten eigenständigen Fax-Gerät leichter abgefangen werden und Schadsoftware enthalten können."
Quelle (hinter der Bezahlschranke): https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Kommunikation-per-Fax-in-Praxen-und-Kliniken-Totgesagte-leben-laenger-433687.html