Die Vision Pro ist geil - die Idee dahinter nicht

09.06.2023 Apple hat den Porsche unter den Datenbrillen-Brillen abgeliefert. Ein extrem scharfes Geschoss, das keiner wirklich braucht.

Dominik Grollmann, Analyst iBusiness
Glaubt man der Präsentation und den enthusiastischen Vorabberichten, dann hat Apple mit der Vision Pro wieder einmal ein beeindruckendes Stück Technik abgeliefert und gezeigt, dass der Konzern es wie kaum ein zweiter versteht, neue Technologien zu einer smoothen Anwendung zu bringen. Gratulation!

Trotzdem glaube ich nicht, dass wir das Ende der Bildschirme, den Beginn einer neuen Ära des Computings oder gar den nächsten, von vielen so lang ersehnten neuen iPhone-Moment erlebt haben. Das hat weniger mit der Technik zu tun, als mit der Grundidee.

Mixed-Reality ist nur im ersten Moment ein faszinierendes Konzept. In Wirklichkeit haben wir alle es schon vielfach ausprobiert, in einigen Situationen als äußerst praktisch empfunden - meist jedoch nur als unterhaltsamen Gag.

AR-Navigation? Gibt es längst, nutzt kaum jemand. Head-up-Displays im Auto? Jaja, haben viele. Viele andere nicht. Macht niemanden verrückt. AR-Spiele wie Pokémon Go? Jeder hat schon einmal davon gehört und es ausprobiert. Die lustigen Avatar-Animationen und -Filter, mit denen sich Videotelefonate aufpeppen lassen? Witzig. Die Sneaker, die sich mittels AR virtuell anziehen lassen? Haben nie richtig funktioniert. Ikea Places - die App, mit der sich Möbel virtuell in der Wohnung platzieren lassen? Probiere ich alle zwei Jahre wieder aus - am Ende helfen mir Zollstock, Vorstellungskraft und ein Besuch im Möbelhaus besser. Die Maßband-App meines Smartphones? Das ist noch die am ehesten nützliche App.

Für manchen mag es pisselig klingen, wie man mit solch kleinlicher Kritik eine so große Idee kaputtreden will. Die Technik steckt ja noch in den Kinderschuhen. Aber ganz ehrlich - man müsste wenigstens bei irgendeiner dieser Anwendungen mal bemerkt haben, dass die Leute das wirklich wollen. Dass sie sofort bereit wären, für eine Verbesserung dieses Produktes Geld auszugeben. So wie beim iPhone. Jeder hat sofort gewusst: "Wenn ich jetzt noch überall Internet hätte - wie geil wäre das denn!?"

Smartphones wurden ja nicht gekauft, weil es plötzlich günstige und schnelle Datenverbindungen gab. Smartphones wurden gekauft, obwohl es nur sündhaft teuere und langsame Datenverbindungen gab - wenn überhaupt. Aber am Ende war die Nachfrage so hoch, dass die Infrastruktur massiv ausgebaut wurde und die Preise purzelten. So herum und nicht anders.

Und bei AR, VR und Mixed-Reality? Meta schaltet Fernsehwerbung für das Metaverse (wohlgemerkt: für die Idee des Metaverse, nicht für ein Produkt!), die Okulus Rift war für PrivatkundInnen jahrelang nicht in Deutschland erhältlich und kaum jemand hat es bemerkt. Die bestehenden AR-Anwendungen auf unserem Smartphone interessieren uns bestenfalls als Fotofilter.

Nicht falsch verstehen: Ich halte die Vision Pro durchaus für ein gelungenes Produkt. Sie wird unser digitales Leben ergänzen und bereichern. So wie Smart Speaker, Wearables oder Facetime-Telefonie. Aber daraus wird kein iPhone-Moment.
Thema: Apple Vision Pro

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 (Bild: Apple)
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Kommentar von Dominik Grollmann

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Dominik Grollmann, Analyst iBusiness (Timo Bierbaum)
Bild: Timo Bierbaum
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