Big Data meets SEA: Das kann Google Ads
Gastbeitrag von Anja Heinrich, ad agents GmbH
Google stellt uns in seinem Universum Targeting- und Zielgruppenoptionen zur Verfügung, bei denen so manchem Advertiser das Wasser im Mund zusammenläuft. Was alles kann Google Ads und wo liegen die Grenzen datengetriebener Zielgruppenoptionen?
Keywords sind die Essenz des Suchmaschinenmarketings. Über die Suchanfrage signalisiert ein User seine Bedürfnisse und Unternehmen können antworten, wenn sie eine geeignete Lösung parat haben. Die Suchanfrage alleine ist jedoch längst nicht mehr der alleinige Anker, um User hinsichtlich ihrer Interessen und Bedürfnisse einzuordnen. Außerdem ist das klare Usersignal einer Suchanfrage zwar in den Pull-Kanälen vorhanden, also im Suchnetzwerk und bei YouTube, nicht jedoch in Push-Kanälen wie dem Google Displaynetzwerk (GDN) oder Gmail. Für alle Kanäle und Features bietet Google mittlerweile umfassende Targetingoptionen, die auf Basis von massenhaft Daten dabei helfen, genau die gewünschten Personen zu erreichen.
Demografische Daten über das Alter oder den Elternstatus sowie Interessen können als Indikatoren dienen, um den User einzuordnen und Streuverluste zu reduzieren. Google bietet auch vorgefertigte Zielgruppen an, um ganz spezifische Empfängerkreise zu erreichen. Das können beispielsweise Paare kurz vor der Hochzeit sein oder Personen, die sich intensiv mit dem Kauf eines Autos befassen. Doch welche Stärken und Schwächen weisen diese Zielgruppen auf? Wann ist der Einsatz welcher Zielgruppenausrichtung empfehlenswert?
Demografisches Targeting und detaillierte demografische Merkmale
Mithilfe der demografischen Ausrichtung in Google Ads können breite Segmente in der Bevölkerung mit bestimmten demografischen Merkmalen erreicht werden. Zu den Basis-Merkmalen gehören die Kategorien Alter, Geschlecht, Elternstatus und Haushaltseinkommen. Diese lassen sich mit allen anderen Ausrichtungsstrategien kombinieren, sind also gewissermaßen die Gewürze auf die fertigen Zielgruppen-Gerichte, die wir im Folgenden vorstellen. Über die vier demografischen Standards hinaus gibt es bei Google die Kategorie detaillierte demografischen Merkmale (detailed demographics). Dort können wir noch genauere demografische Bedingungen an unsere Zielgruppe stellen, zum Beispiel den höchsten Bildungsabschluss, das Alter der Kinder von Personen mit Elternstatus oder den Wohneigentumsstatus. Anhand dieser Daten kann ein Anbieter für Immobilienkredite beispielsweise junge Familien selektieren, die noch kein Hauseigentum besitzen und über ausreichend Einkommen für einen Hauskauf verfügen.
Ob das demografische Targeting oder der Einsatz der Zielgruppe detaillierte demografischen Merkmale sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Wenn ein Unternehmen beispielsweise nur Damenräder vertreibt, ist es naheliegend, dass es vor allem Frauen ansprechen möchte und der Großteil der Männer sich nicht für sein Angebot interessiert. Andererseits sortiert der Bikeshop bei einem Targeting auf Frauen auch diejenigen Männer aus, die womöglich auf der Suche nach einem neuen Fahrrad für ihre Frau sind. Gerade in solchen unerwarteten Fällen stößt die demografische Ausrichtung an ihre Grenzen, weil wir starre Muster anwenden, die nicht immer gültig sind. Wenn wir uns auf demografische Merkmale versteifen, berauben wir die Suchmaschinenwerbung ihrer wahren Stärke. Diese liegt darin, dass wir relevante User anhand ihres Online-Verhaltens identifizieren, zum Beispiel anhand ihrer Suchanfragen. Wer einen Mittelweg gehen will, kann seine Gebote für Personen mit bestimmten demografischen Merkmalen erhöhen ? so spricht er alle Suchenden an, fokussiert sich jedoch auf wichtige, demografische Zielgruppen.
Thematische Ansprache: Keywords, Placements & Themen
Die rudimentärste Form der thematischen Ansprache ist die Auswahl einzelner Seiten im GDN, auf denen wir unsere Anzeige ausspielen möchten. Bei einem sogenannten Placement kann es sich um eine ganze Website, einen Teilbereich einer Website oder auch konkrete Anzeigenblöcke sowie Videos und Apps handeln. Wir sind also sehr frei in der Auswahl und können uns ein individuelles Set an Ausspielungsorten zusammenstellen. Das ist natürlich mit viel Aufwand und geringen Reichweiten verbunden, weshalb Google uns auch eine automatisierte Placementauswahl anbietet. Hier wählt Google zum Beispiel anhand vorgegebener Keywords Seiten aus, die relevant sind. Ähnlich funktioniert das Themen-Targeting. Hier entscheiden wir uns, in welchen thematischen Umfeldern unsere Anzeige erscheinen soll. Google bündelt verschiedene Seiten zu diesen Themen und stellt uns das Paket gesammelt als Segment zur Verfügung.
Beim Targeting über Keywords, Placements und Themen schließen wir vom Content, den bestimmte Seiten beinhalten, auf den User und seine Interessen. Wir unterstellen Besuchern dieser Seiten, sich für unsere Angebote zu interessieren. Das mag erfolgreich sein, wenn unsere Annahmen zutreffen. Man sollte sich jedoch sicher sein, dass die begehrten Kunden sich tatsächlich auf den von uns ausgewählten Seiten bewegen. Die manuelle Auswahl von Placements kommt nur in Frage, wenn der Advertiser genaue Vorstellungen über die Ausspielungsorte hat und es in Ordnung ist, dass die Reichweite überschaubar bleibt. Trifft das nicht zu, sollte ein Advertiser die Unterstützung von Google annehmen und Keywords oder Themen einbuchen. Auch wenn Google hier bereits hochautomatisiert vorgeht und Seiten präzise in seine Themenliste einteilt, sind wir von einem userzentrierten Vorgehen noch weit entfernt. Das ändert sich bei der Zielgruppe mit gemeinsamen Interessen.
Zielgruppe mit gemeinsamen Interessen
Wir drehen den Spieß nun um. Statt über den Inhalt von Webseiten auf die Zielgruppe zu schließen, konzentrieren wir uns voll und ganz auf den User selbst. Auf Basis des Online-Verhaltens eines Nutzers weiß Google, für welche Themenbereiche und Branchen er sich interessiert. Wir spielen unsere Anzeigen nicht mehr auf bestimmten Seiten, sondern an bestimmte User aus. Die Präzision, mit der Google Userinteressen differenziert, ist beeindruckend. Von ?Country-Musik? über ?Frauenspezifische Themen? bis zum ?Umweltgerechten Lebensstil und Umweltthemen?, der Blick in die Einstellungen für Werbung im eigenen Google Konto ist durchaus überraschend und amüsant. Er ist definitiv zu empfehlen, um ein Gefühl für die Granularität zu bekommen, mit der Google seine User und Themen differenziert. Die Themenliste von Google enthält über 30 Interessen in zwölf Kategorien. Neben Themen sind im persönlichen Google-Konto auch konkrete Unternehmen einsehbar, mit denen ein User in Interaktion getreten ist und dessen Werbung er womöglich erhält.
Über die Zielgruppe mit gemeinsamen Interessen können wir User mit unserem Thema erreichen, auch wenn diese gerade nicht aktiv danach suchen. In frühen Phasen der Customer Journey ist diese Ausrichtung daher wertvoll, zum Beispiel um Branding über das GDN zu betreiben. Ein Problem liegt darin, dass die Interessen womöglich nicht auf dem aktuellsten Stand oder gar nicht korrekt sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sich mehrere Personen in einem Google-Account bewegen oder dasselbe Gerät nutzen.
Ähnliche Zielgruppen zur Neukundengewinnung einsetzen
Eine weitere Option ist der Einsatz von Similar Audiences, zu Deutsch Ähnliche Zielgruppen. Um diese zu ermitteln sucht Google automatisch nach neuen Kunden, die Ähnlichkeiten mit bereits bekannten Usern eines Advertisers aufweisen. Wie genau geht das von statten? Google vergleicht neue Nutzer mit vorhandenen Remarketing-Listen. Bei einer hohen Übereinstimmung werden die Anzeigen den ?statistischen Zwillingen? präsentiert. Machine Learning sorgt laut Google in Echtzeit dafür, dass Millionen von Signalen zur Performanceoptimierung eingesetzt werden.
Mit Hilfe von Ähnliche Zielgruppen kann die Reichweite bestehender Kampagnen um ein Vielfaches ausgeweitet werden, wobei die Kontakte dank des Abgleichs mit bestehenden Kunden eine hohe Qualität besitzen. Das schlägt sich in einer starken Conversionrate nieder. Summa summarum sind Ähnliche Zielgruppen ein gutes Mittel, um neue Kunden zu gewinnen. Voraussetzung für erfolgreiche Kampagnen mit dieser Zielgruppe sind gut geführte Remarketing-Listen.
Kaufbereite Zielgruppen zum Abverkauf nutzen
Um den Abverkauf für unsere Produkte gezielt zu steigern, eignen sich Kaufbereite Zielgruppen (In-market audiences). Diese beinhalten User, die sich momentan sehr intensiv mit einem Thema beschäftigen, dazu recherchieren und vermutlich kurz vor einem Abschluss stehen. Spannend ist dieses Sammelbecken damit insbesondere für Kampagnen, die Leads oder Conversions generieren sollen. Grundlage für die Ermittlung von kaufbereiten Usern ist wieder das Such- und Surfverhalten. Google bietet bereits über 500 kaufbereite Zielgruppen an, die Themen reichen von gebrauchten Kompaktwagen über Spielekonsolen bis zu Reisen nach Amsterdam. Der hohe Wettbewerb um kaufbereite User schlägt sich in höheren CPCs für diese Zielgruppe nieder, die sich aber durchaus lohnen können. Im Google Display Netzwerk sind kaufbereite Zielgruppen bereits ein alter Hut, im Search ist diese Targetingoption erst seit einigen Monaten verfügbar.
Menschen zu einem konkreten Lebensereignisse ansprechen
Wir können User aufgrund ihres Online-Verhaltens nicht nur in Interessensgruppen einordnen, sondern erhalten auch Informationen über aktuelle Ereignisse in ihrem Leben. Für bestimmte Branchen und Produkte ist die Information über ein bestimmtes Lebensereignis von enormer Bedeutung. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Umzugsunternehmen. In den meisten Lebensjahren eines Menschen wird Ihr Angebot für diesen uninteressant sein. Wenn es dann darauf ankommt, müssen Sie präsent sein. Die ganze Zeit über Werbung auszuspielen, wäre unwirtschaftlich. Wenn wir hingegen wissen, wann bestimmte Ereignisse wie Umzug, Hochschulabschluss oder eine Hochzeit anstehen, lässt sich genau zum richtigen Zeitpunkt in Werbung investieren. Die Identifikation von Lebensereignissen (englisch Life Events) läuft ähnlich wie bei Kaufbereite Zielgruppen. Wenn ein User sich zum Beispiel über Immobilien in einer neuen Stadt informiert, seinen Internetvertrag auf eine neue Adresse umzieht und nach günstigen Umzugskartons googelt, erkennt Google diese Signale.
Lebensereignisse kommen nicht häufig vor, weshalb die Größe der Zielgruppen für ein bestimmtes ?Life Event? natürlich begrenzt ist. Jedoch werden einige Kaufentscheidungen nur in dieser Phase getroffen, weshalb die Zielgruppe für einzelne Anbieter hochrelevant ist. Zudem hängen mit einem Lebensereignis häufig gleich eine Vielzahl an Kaufentscheidungen zusammen. Wer umzieht, wird neben einem Umzugsunternehmen womöglich auch neue Möbel bestellen. Für Anbieter, die mehrere Produkte rund um ein Lebensereignis anbieten, lohnt sich das Investment in diese Zielgruppe umso mehr.
Welcher Zielgruppentyp macht wann Sinn?
Google bietet inzwischen fast alle Targeting- und Zielgruppenoptionen für jeden Kampagnentyp. Das demografische Basis-Targeting auf Alter, Geschlecht, Elternstatus und Haushaltseinkommen ist darüber hinaus mit allen Zielgruppenausrichtungen kombinierbar. Doch nicht immer macht der Einsatz eines speziellen Zielgruppentyps Sinn. Bei einer Ausrichtung auf spezifische Zielgruppen oder gar Kombination mehrerer Targetingoptionen muss immer beachtet werden, dass die Reichweite schrumpft.
Des Weiteren müssen wir strategisch unterscheiden zwischen den Pull- und Push- Kanälen: Während uns der User über die Google Suche und auf YouTube über die Suchanfrage immer ein Signal über seine Intention gibt, ist dies im Display Netzwerk nicht der Fall. Im GDN sind wir daher noch stärker auf die zusätzlichen Signale angewiesen, um unsere Erfolgschancen zu erhöhen. Wie intensiv die Zielgruppenoptionen im Search eingesetzt werden sollte, ist umstritten. Einige Unternehmen verzichten auf eine Zielgruppenoption im Search und vertrauen auf das Credo: Jeder der sucht, ist relevant. Letztendlich ist es auch eine Budgetfrage, wie spitz man sein Targeting ansetzt.
Die richtige Balance zwischen Präzision und Reichweite
Die SEA-Welt ist äußert komplex geworden, die Anzahl an Features und Targeting-Möglichkeiten in den vergangenen Jahren explodiert. Neben der demografischen Ausrichtung und den vorgestellten, vorgefertigten Zielgruppen können weitere Faktoren wie Zeit, Ort, oder Gerätetyp in die Kampagnen einfließen. Die Herausforderung besteht darin, bei all den Möglichkeiten nicht den Überblick zu verlieren, sondern genau zu prüfen, ob der Einsatz einer Zielgruppenausrichtung Sinn macht. Immer berücksichtigt werden sollte dabei, dass sich unsere Reichweite antiproportional zum Detailgrad unseres Targetings verhält: Je detaillierter das Targeting, desto geringer die Reichweite und teurer die Klicks. Natürlich steigt die Qualität der Werbekontakte, vorausgesetzt unsere Annahmen über potentielle Kunden stimmen und wir erreichen die richtigen Personen. Die Kunst besteht darin, die Balance zwischen Qualität und Reichweite zu finden.
Sinnvoll ist in jedem Fall, verschiedene Zielgruppen zu testen und die Budgets anschließend zu den umsatzstärksten Zielgruppen zu verschieben. Wir können viele Zielgruppen im ersten Schritt auch nur beobachten und unsere Budgets und Gebote gezielt anpassen, wenn die Daten uns den Hinweis gegen, dass es sich lohnt. Datengetriebene Zielgruppen wie Nutzer mit bestimmten Lebensereignissen oder kaufbereite User sind punktuell sicherlich hilfreich. Sie müssen jedoch in der Gesamtstrategie verankert sein, um an der richtigen Stelle eingesetzt zu werden und zu wirken. In vielen Fällen schränken wir uns zu sehr ein, wenn wir uns nur auf die Nadel im Heuhaufen fokussieren. Zu guter Letzt darf man bei all den traumhaften Targetingoptionen nicht vergessen, dass die klassische Handwerksarbeit wie das Formulieren von überzeugenden Anzeigentexten oder die manuelle Steuerung und Optimierung ein grundlegender Pfeiler einer erfolgreichen SEA-Kampagne bleibt.