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Genau nachgerechnet: Hilft oder schadet die Digitalisierung der Umwelt?
16.02.2024 Metastudie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums zeigt: Die Forschung zur nachhaltigen Digitalisierung ist in vielen Bereichen noch lückenhaft. Berücksichtigt man negative und positive Umwelteffekte, entlasten nur bestimmte Anwendungen die Umwelt, etwa Gebäudeautomation und Smart Charging. IÖW und Technopolis geben Empfehlungen für weitere Forschung: Die Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung müssen umfassender bewertet werden.
"Die Forschung sollte stärker als bisher den ökologischen Fußabdruck digitaler Technologien berücksichtigen und unerwünschte Nebenwirkungen untersuchen", empfiehlt der Ökonom Christian Lautermann vom IÖW. "Nur so wird es möglich, die Chancen der Digitalisierung realistisch zu bewerten." Die Metastudie "Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung " wertete in acht Themenbereichen aus, bei welchen digitalen Innovationen sich nach aktuellen Erkenntnissen ein positives Potenzial für Klimaschutz und Umweltentlastung zeigt.
Mario Brandenburg , Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, beurteilt die Ergebnisse positiv: "Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung zur Verwirklichung von Nachhaltigkeit nutzen. Die Metastudie zeigt auf, wo dafür die größten Hebel liegen und wo wir noch Forschungsbedarf haben. Mit unserer Forschungsförderung an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit tragen wir dazu bei, eine breitere Datengrundlage und digitale Nachhaltigkeitsinnovationen zu schaffen. Die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie bestärken uns darin, dass wir mit einem systemischen Förderansatz auf dem richtigen Weg sind."
- Klare Vorteile im Gebäude- und Energiesektor zu erwartenSmarte Mess- und Steuerungstechnik und eine darauf aufbauende Gebäudeautomation bieten die Chance, den Wärme- und Stromverbrauch zu senken. Nützlich sind zudem "virtuelle Kraftwerke" und Smart Charging, wobei Dienstleister etwa Batteriespeicher in Haushalten und Elektroautos zusammenschalten und gezielt steuern. So verschmelzen Energie- und Mobilitätssysteme miteinander: Das digital gesteuerte Aufladen der vielen Millionen Speicher und Elektroautos kann helfen, Stromnachfrage und -angebot ins Gleichgewicht zu bringen und Emissionen aus fossilen Kraftwerken zu reduzieren.
- Mobilität: zu starker Fokus auf IndividualverkehrStudien zeigen, dass Straßen effizienter genutzt werden und Energieverbräuche von Fahrzeugen sinken, wenn Routen, Kolonnen oder Ampelschaltungen mithilfe Künstlicher Intelligenz optimiert werden. "Doch die Umwelteffekte beim autonomen Fahren hängen davon ab, ob die neue Technik auch insgesamt die Zahl der Pkw und der gefahrenen Kilometer reduziert", warnt Christian Lautermann
. Künftige Forschung sollte daher verstärkt Carsharing, Güter- und Busverkehr betrachten: Die Potenziale digitaler Technologien für einen umweltfreundlichen Nahverkehr sind bisher deutlich weniger erforscht als beim Individualverkehr.
- Ressourcenverbrauch der DigitalisierungDen Effizienz- und Einsparpotenzialen von digitalen Tools stehen Energie- und Ressourcenverbräuche in der Lieferkette und bei der Anwendung gegenüber. Bis zu vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen durch Herstellung und Betrieb digitaler Geräte. Eine Stunde Surfen auf Social Media Plattformen oder die Nutzung von Streaming-Diensten kann je nach Berechnungsmethode bis zu 280 Gramm CO2 verbrauchen. Bei einem KI-Trainingsdurchlauf entstehen, je nach Berechnungsmethode und Strommix, sogar bis zu 942 Tonnen Treibhausgase - so viel wie etwa 90 Bundesbürger aktuell im Jahr verursachen.
Umweltwirkung ganzheitlich erforschen
"Studien zeigen, dass der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu einer Reduktion der nationalen Treibhausgasbilanz beitragen kann", erklärt Jan Stede von Technopolis Deutschland, der das Projekt leitet. "Dieser positive Effekt ist jedoch ambivalent zu bewerten: Die klimaintensive Produktion von digitalen Technologien findet oft in anderen Ländern statt. Zukünftige Forschung zur Klimawirkung von Digitalisierung sollte daher verstärkt die Verlagerung der Emissionen in der Produktion, aber auch Rebound-Effekte in den Blick nehmen." Rebound-Effekte gibt es beispielsweise in der Industrie: Zwar können Produktionsprozesse durch eine digitale Vernetzung energiesparender ablaufen - wenn die Automatisierung jedoch zu einer höheren Produktion führt, kann dies einen Teil der Einsparungen wieder zunichtemachen. Solche Effekte sollten bei einer Bilanzierung der Gesamtauswirkungen der Digitalisierung zumindest näherungsweise eingerechnet werden.Hinzu kommt, dass die meisten Studien nur CO2-Effekte quantifizieren. Eine umfassende Lebenszyklusanalyse würde hingegen auch andere direkte und indirekte Folgen betrachten - von Umweltverschmutzung bis zu Auswirkungen auf die Biodiversität.