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AfD fällt auf falsche Flyer-Firma herein
29.09.2021 Das Künstlerkollektiv 'Zentrum für Politische Schönheit' hat mit einer erfundenen Flyer-Firma zahlreiche Parteiverbände der AfD getäuscht - und offenbar fünf Millionen Wahlkampf-Flyer eingesammelt, aber nicht verteilt. Die Partei kündigt eine zeitnahe Strafanzeige an.
In einer Pressemitteilung und einem Video zur Aktion heißt es, das Künstlerkollektiv habe dafür eigens eine Dialogmarketing-Firma gegründet mit dem Namen 'Flyerservice Hahn' . Diese habe angeblich 17 Distributionszentren, die jeden Haushalt in der Republik mit Flyern versorgen können - aber weder hat diese Firma einen Eintrag im Handelsregister noch eine Geschäftsanschrift. Einzige Kunden, die trotzdem gewonnen werden konnten: 85 Parteiverbände der AfD. Im Impressum der Website Flyerservice-Hahn.de wird aktuell das Zentrum für Politische Schönheit angegeben.
Die fiktive Firma sei demnach proaktiv auf die Verbände zugegangen und habe zugesagt, zu offenbar günstigen Konditionen Flyer für die AfD zu verteilen. Laut der Preisliste auf der Website verlangte 'Flyerservice Hahn' etwa demnach für die Direktverteilung in Sammelbestellung mit anderen Handzetteln und Prospekten ab 50.000 Stück in der Preisklasse A (Frankfurt, Fulda, Garmisch Partenkirchen, Dresden, Nürnberg, Leipzig) 22 Euro pro 1000 Flyer. Ab 10.000 Stück werden in der Preisklasse angeblich 26 Euro pro 1000 Flyer fällig. Auch Exklusiverteilungen und Postsendungen mit "Partner Deutsche Post" stehen zur Auswahl. Für Glaubwürdigkeit soll unter anderem ein "GPZ-Siegel" für die "Geprüfte Prospektzustellung" des Bundesverbandes Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) sorgen.
Die AfD-Parteiverbände nahmen das Angebot dankbar an und lieferten laut ZPS insgesamt 72 Tonnen Werbematerial an, darunter fünf Millionen Flyer, rund 19.500 Plakate, 4.700 Fähnchen und 3.700 Feuerzeuge. Jedoch ohne Auftragsbestätigung oder rechtsgültigen Vertrag, wie das Kollektiv in der Mitteilung versichert.
Der 'Flyerservice Hahn' tat danach jedoch - nichts. Außer die Parteiverbände offenbar zu vertrösten, wie sich aus den "Kundenreaktionen" auf der Website zur Aktion
ablesen lässt. Darin heißt es unter anderem: "Was machen unsere Flyer in Süddeutschland, warum befinden sich diese GESTERN Abend bei einem Wasserrohrbuch FAST VOLLSTÄNDIG in Mainz (AfD Schleswig-Holstein)" oder "Sie werden Verständnis dafür haben, dass eine Verteilung der Kurzprogrammflyer nach der Bundestagswahl am 26.09.2021 für uns überhaupt keinen Sinn mehr ergibt. (AfD Rheinland-Pfalz)".
Die AfD habe das Zentrum für politische Schönheit auf Schadensersatz verklagt, zur Finanzierung des Rechtsstreites bieten die Aktivisten nun das Recycling des Werbematerials an, verknüpft mit einer Spendenaktion. Auf Twitter
wirbt das Kollektiv außerdem für 'Volks-Aktien' des 'Flyerservice Hahn'. Für 100 Euro kann man demnach Gesellschafter werden vom "Untätigkeitschampion und Weltmarktführer im Nichtverteilen von Nazi-Propaganda".
AfD will Strafanzeige stellen
Laut einem ZDF-Bericht bereitet die AfD derzeit eine Strafanzeige vor, basierend auf Vertragsunterlagen, E-Mail-Korrespondenz und Fotos.Bereits am Freitag hatte die AfD in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass mehr als eine Million Wahlkampf-Flyer der Partei nicht verteilt worden waren. Darin heißt es: "Einige Wochen vor der Bundestagswahl bot ein 'Flyerservice Hahn' der AfD ihre Dienste an und versprach, Flyer der AfD zur Bundestagswahl zu einem akzeptablen Preis in die Haushalte zu verteilen." Dann jedoch habe sich herausgestellt, dass dieser Flyerservice nicht existiere und hinter der Aktion offenbar das ZPS stehe. "Dafür ist mit hohem Aufwand eine Website fingiert und illegal die Umsatzsteuernummer eines völlig unwissenden Unternehmers benutzt worden", beklagt die AfD. Am Dienstagabend vor der Bundestagswahl seien die betreffenden Kreisverbände und Bundestagskandidaten der AfD per E-Mail darüber informiert worden, dass man die Flyer "aus organisatorischen Gründen" nicht verteilen könne, sie könnten jedoch am Samstag vor der Wahl zurückgegeben werden - zu spät für eine rechtzeitige Verteilung. Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla übt deutliche Kritik und sagt: "Diese beispiellose Aktion trifft nicht nur die AfD . Hier ist bereits jetzt ein erheblicher Schaden für die Demokratie eingetreten."
Laut einem Bericht von T-Online macht sich Philipp Ruch vom ZPS jedoch keine großen Sorgen vor den juristischen Folgen. Das Künstlerkollektiv habe sich rechtlich abgesichert und etwa in den AGBs des 'Flyerservice Hahn' vermerkt, dass Aufträge mit folgenden Inhalten ausgeschlossen seien: "Werbung, die gegen die guten Sitten verstößt, religiöse oder politische Propaganda, Falschaussagen, Desinformationen, Preisvergleiche und Hinweise auf die Möglichkeit der Zahlung auf Zeit oder Raten, Werbung für Alkohol und Tabak, Wahlwerbung und politische Information von Parteien und Wahlkandidaten sowie Werbung durch verfassungs- oder demokratiefeindliche Organisationen und Parteien".