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Immer mit der Ruhe: Google lässt "sein ChatGPT" noch reifen
09.02.2023 Da ist sicher so mancher Erwartungsluftballon geplatzt - Google hat bei seiner umfangreichen Techpräsentation am Mittwoch mehr Zeit auf Updates für Maps oder Translate verwendet und sich nur am Rande mit seinem ChatGPT-Pendant, Bard, befasst. OH JE, DAS BEDEUTET - nicht viel.
Ein Suchmaschinenriese wie Google dagegen, der sich die Nutzererfahrung groß auf die virtuelle Fahne geschrieben hat, muss eine gewisse Qualität und Verlässlichkeit vorleben. Deswegen hat der Konzern gestern bei einer Präsentation in Paris mal einen kleinen Vorgeschmack auf seinen KI-Textgenerator abgesondert, hält sich aber ansonsten vornehm zurück, was konkrete Ankündigungen und vollmundige Versprechungen angeht.
Was wahrscheinlich passieren wird ist, dass Google einen sukzessiven Rollout des Produktes Bard in den SERPs vornehmen wird - es dürfte eine ergänzende Funktion zu den bei SEOs verhassten Antwortboxen des Knowledge Graphs werden. All die Texte, die aktuell auf Suchtraffic optimierte Klickköder-Seiten bereitstellen, dürften dann direkt als individuell generierte Texte auf der Google-Startseite abrufbar sein, erstellt von Bard: Wie erkenne ich ein gutes Gebrauchtauto, wie baue ich eine Steckdose ein, wie züchte ich Gurken im Hochbeet etc. - kurz: Alles, was zu komplex für ein Featured Snippet (einen Bild-/Textkasten auf der Ergebnisseite) ist und aktuell als SEO-optimierter Content im Web verstreut ist, wandert auf die Google-Startseite. Man erinnere sich: Genau das ist zuvor mit dem lexikalischen Wissen passiert - Google beantwortet Übersetzungs- und Rechenaufgaben und Fragen nach Hauptstädten, Persönlichkeiten oder durchschnittlichen Niederschlagsmengen am Amazonas ja zum Teil sogar schon im Suchschlitz des Chrome-Browsers, spätestens dann aber auf der SERP. Man muss für viele Wissensfragen nicht mehr den stets prominent ausgeworfenen Link auf Wikipedia klicken (Und trotzdem gibt es Wikipdia noch, aber das ist ein anderes Thema).
Doch bevor Brad Teil der Suche wird , soll der erstmal richtig funktionieren. Da hat die Wirtschaftswoche glatt daneben orakelt, als es Google unter Zugzwang sah und dem Techkonzern vor der Präsentation unterstellte, in Paris die "Gegenoffensive" zu OpenAI zu eröffnen. Nein, Google hat unter Schmerzen gelernt, was Eile anrichtet, als es einen Werbespot schaltete, in dem Bard eine (auf hohem Niveau, aber immer noch) fehlerhafte Antwort gab (mehr dazu beim BR online .
Die Botschaft von Paris ist nicht der beginnende Gegenangriff - Google hat klargestellt: Wir sind dran. Aber wir geben den Nutzern auch keine grünen Äpfel zu essen. Und erst recht nicht welche mit Würmern.