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Verlass' dich auf KI und du bist verlassen
06.08.2024 Ein Pharmaunternehmen hat den Copilot von Microsoft getestet, abonniert und wegen Qualitätsmängeln schnell wieder gekündigt. Die Entfernungsangaben eines KI-Reiseplanungstools sind haarsträubend falsch. KI hat an allen Ecken und Enden Qualitäts- und Glaubwürdigkeitsprobleme. Und trotzdem investiert die Branche weiter Milliarden über Milliarden.
Aber noch ist die Zukunft nicht da. Stattdessen frustriert die Gegenwart. Zum Beispiel Microsoft. Der Software-Konzern musste sich jetzt von einem hohen Pharma-Manager via "Business Insider" sagen lassen, dass die Fähigkeiten seines KI-Assistenten, Folien für Präsentationen zu erzeugen, auf mittlerem Schulniveau liege. Der Name des Pharmaunternehmens wurde in dem Bericht nicht enthüllt, dafür aber die Summe, die sich die Firma fortan sparen wird. 180.000 Dollar jährlich hätte das Abonnement von Copilot für 500 MitarbeiterInnen gekostet. Folien, wie sie SchülerInnen täglich in der 6. und 7. Klasse ertragen und entziffern müssen, will das Pharmaunternehmen nicht auch noch für teuer Geld bezahlen. Wobei das Schockierende für Microsoft die implizite Botschaft sein dürfte, dass jeder Dollar einer zu viel für die gelieferten Resultate wäre.
Ein Haar hat das Unternehmen an Copilot dann aber doch noch stehen lassen: Die Transkripte und Zusammenfassungen von Teams-Meetings seien gut gewesen, nur leider erlaube die Rechtsabteilung nicht mehr die Nutzung dieses Features.
Auf dem Spiel steht inzwischen nichts weniger als die Refinanzierung der KI-Investitionen, von Profiten noch gar nicht zu reden. Ungeklärte Datenschutzbedenken sind da nicht der feinste Einstieg, Qualitätsmängel bei anspruchsvolleren Aufgaben der Kill schlechthin. Bleibt die Hoffnung auf die Zukunft.
Bieten vielleicht KI-Chatbots für die breite Öffentlichkeit eine Chance auf Monetarisierung? Eine Untersuchung der "Washington Post" bietet Aufschlüsse. 200.000 Konversationen in englischer Sprache hat sich ein Team der US-Tageszeitung zusammen mit Forschern am Allen Institute for Artificial Intelligence angesehen und wiederkehrende Themen in einem kleinen Chart gelistet.
- An der Spitze: Texten. Menschen nutzen KI-Chatbots, um ihre Kreativität zu unterstützen, meist für einzelne Passagen. Aber auch ganze Drehbücher, Witze oder Gedichte wurden bei Chatbots massenhaft in Auftrag gegeben.
- Auf Platz 2: Hausaufgaben. Klar. Hoffentlich phantasiert da wenigstens niemand.
- Auf Platz 3: Suchanfragen. Das Feld der Zukunft. KI wird massiv in Google und Bing eingebaut, SearchGPT von OpenAI kommt wohl noch dieses Jahr.
- Coding liegt auf Platz 4, Bilderzeugung auf Platz 5, für Gesundheitstipps und ganz allgemein als Ratgeber werden KI-Chatbots auch noch in einem messbaren Bereich genutzt.
Fun fact, so nebenbei: Da character.ai auch einen Trip Planner anbietet, habe ich mir eine Route von München nach Kornic in Kroatien anzeigen lassen. Das Resultat war schlicht schockierend: Ich solle doch, der Sehenswürdigkeiten halber, über Nürnberg und Passau nach Salzburg fahren und von dort weiter nach Kroatien. Gefragt nach der Entfernung München-Kornic gab Character.AI 1200 Kilometer an. Auf meinen Einwand, dass Google Maps bei 563 Kilometern liegt, gab der Chatbot mir recht. Merci, recht herzlich!
Es hilft nichts: KI hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Kreativ ist die Technik schon per Definition nicht, da sie lediglich vorhandenes Material mixt. Beim Cannes Werbefilmfestival im Juni sei zwar bei jedem dritten Beitrag KI im Spiel gewesen, sagte Scholz&Friends-Kreativ-Geschäftsführerin Marielle Wilsdorf in einem "KOM"-Interview, zog aber ein ernüchterndes Fazit: "Die Entwicklung hat nicht einen solchen Sprung gemacht, wie es sich viele im vergangenen Jahr erhofft hatten."
Eng begrenzte Aufgaben wie Transkripte, Übersetzungen, SEO-Texte, Zusammenfassungen, Illustrationen schafft KI inzwischen weitgehend befriedigend. Ebay hat jetzt eine KI-Funktion, die einen zusammenhängenden Beschreibungstext in ganzen Sätzen aus den eingegebenen Detailinfos konstruiert. Gut so, VerkäuferInnen spart das Zeit. Aber die hohen Investitionen können solche Mini-Dienstleistungen sicher nicht ausgleichen.
Es geht ans Eingemachte: Suchmaschinen mit KI-Zusammenfassungen werden sich wohl durchsetzen , ebenso KI-Tools zur Analyse von großen Datensätzen. Dass ansonsten jede einzelne KI-Dienstleistung, von Übersetzungen bis Transkripte, einmal seinen Käufer findet, ist unwahrscheinlich. Eher finden sie eine neue Heimat in neuen Universal-Apps mit allen nur denkbaren KI-Leistungen oder integriert in Facebook, Amazon, Google & Co.
Christian Gehl, iBusiness-Analyst
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