Anmelden und live dabei sein
Anmelden und live dabei sein
DSA und DMA: EU-Parlament stimmt strengeren Regeln zu
05.07.2022 Das EU-Parlament hat mit dem Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) Gesetzen zugestimmt, die große Internetplattformen wie Meta und Amazon strenger regulieren und den Kampf gegen illegale Inhalte im Internet stärken sollen. So reagieren Digitalverbände:












Mit dem nun verabschiedeten DMA will die EU die enorme Marktmacht der Digital-Riesen beschränken und mehr Wettbewerb herstellen. Das Gesetz zielt vor allem auf Unternehmen, die für gewerbliche Nutzer ein wichtiges Zugangstor zum Endverbraucher sind. Betroffen sind Digitalunternehmen, die entweder einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von mindestens 75 Milliarden Euro haben. Zudem müssten sie mindestens einen sogenannten zentralen Plattformdienst mit mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern und 10.000 aktiven gewerblichen Nutzern monatlich betreiben. Dazu zählen auf jeden Fall die GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft). Aber auch Tiktok oder Konzerne wie Booking.com könnte es treffen. Von zehn bis 15 Tech-Unternehmen ist die Rede, die unter den DMA fallen könnten. Die Kommission kann auch kleine Unternehmen als Gatekeeper einstufen, wenn sie eine oder auch mehrere Internet-Plattform kontrollieren.
Mit dem Digital Services Act (DSA) soll gesellschaftlichen Problemen wie Hassrede oder anderen illegalen Inhalten im Netz besser Einhalt geboten werden können. Die EU will einheitliche Regeln für den Umgang mit illegalen Inhalten festsetzen und für mehr Rechtssicherheit sorgen. Plattformen werden zur Schaffung von Prozessen für das Melden illegaler Inhalte und deren Löschung verpflichtet sowie zu größerer Transparenz. Große Plattformen mit mindestens 45 Millionen Nutzern müssen dabei mehr Regeln befolgen als kleinere.
DMA und DSA werden als "Meilenstein der europäischen Digitalpolitik" bezeichnet, neben viel Zustimmung gibt es aber auch Kritik. So reagieren Digitalverbände auf die Beschlüsse des EU-Parlaments:
BVDW: Auf Politik und Digitale Wirtschaft kommt viel Arbeit zu
Die Digitale Wirtschaft steht mit der Umsetzung der neuen EU-Verordnungen vor massiven Herausforderungen in der Praxis, so der BVDW


Der Verband verweist etwa auf die neuen Transparenzvorschriften aus Art. 24 des DSA. Demnach muss Online-Werbung auf Online-Plattformen mit einem Katalog an Informationen versehen werden, unter anderem dem Auftraggeber oder Finanzier einer Kampagne. Daneben sollen die Zielgruppenparameter ersichtlich sein, sprich die konkreten Gründe, warum jemand ein Werbemittel zu sehen bekommt. Diese Informationspflicht gilt für Werbungtreibende unmittelbar, die Informationen müssen folglich mit dem Werbemittel zur Verfügung gestellt werden. Wie Werbungtreibende dieser Transparenzregel in der Praxis nachgekommen können und welche Rolle den Anbietern von Online-Plattformen zufällt, auf denen die Werbung zu sehen ist, ist laut BVDW noch völlig unklar. "Die derzeitigen Mechaniken und Technologien für die Auslieferung von Online-Werbung sind auf die zum Teil nicht eindeutig formulierten Anforderungen nicht ausgelegt", warnt Duhr.
Die Aufsicht über die Umsetzung des DSA für die sogenannten VLOPs (very large online plattforms) liegt zentral bei der EU, für kleinere Plattformen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten. Auch in Deutschland ist noch nicht klar, wer diese Rolle des Digital Services Coordinators übernehmen wird, im Gespräch sind die Landesmedienanstalten, die Bundesnetzagentur aber auch die Kartell- bzw. Datenschutzbehörden. "Wer auch immer die Verantwortung übernehmen wird, wir fordern eine klare Zuständigkeit, die bundesweit einheitlich gilt. Regionale Kleinstaaterei als Folge eines falsch verstandenen föderalen Prinzips können wir uns bei dieser wichtigen Aufgabe nicht leisten", sagt Duhr. Er fordert einen frühzeitigen Diskurs aller Verantwortlichen und regt an dabei auch "einmal etwas Neues" zu wagen. Der Verband erwartet außerdem zahlreiche Anpassungen im Netzwerkdurchsetzungsgesetz, im Telemediengesetz und im Jugendschutz mit entsprechenden Konsequenzen für die Betreiber von Webseiten und Werbungtreibende.
Als positiv bewertet der BVDW, dass die finalen Regelungen im DSA für Online-Werbung "nicht so drastisch ausgefallen sind", wie befürchtet. Lange Zeit habe es so ausgesehen, als würde nahezu jegliche Form der Datennutzung in der Werbung untersagt werden. Duhr: "Den gefundenen Kompromiss halten wir für ausgewogen, die gesellschaftlichen Risiken werden tatsächlich entsprechend geregelt. Ein weitgehendes Verbot datengetriebener Werbung wäre dagegen für die digitale Wirtschaft fatal gewesen. Digitalisierung und ein Verbot von Datenverarbeitung - das wäre ein immenser Widerspruch in sich gewesen."
Auch beim ebenfalls verabschiedete Digital Markets Act (DMA) muss aus Sicht des BVDW noch nachgearbeitet werden, da vor allem große Plattformen im E-Commerce-Bereich noch weitgehend unberücksichtigt blieben. Auch bei der Öffnung von Schnittstellen in der Werbetechnik hatte sich der Verband mehr erhofft. Die jetzigen Regelungen verhinderten "einen echten Wettbewerb der Systeme, wir hätten uns hier konkrete Öffnungsmaßnahmen auch für den Bereich der Werbetechnologie vorstellen können", sagt Duhr.
Bitkom: Neues Grundgesetz für das Internet
"Mit der finalen Verabschiedung von Digital Services Act und Digital Markets Act wird ein umfassender digitalpolitischer Rechtsrahmen in Europa und eine Art neues Grundgesetz für das Internet geschaffen" sagt Bitkom


Jetzt komme es darauf an, dass der Rechtsrahmen auch in der Praxis funktioniert, dazu klare Regeln gesetzt werden und gleichzeitig der Plattformökonomie "weiterhin Entfaltungsspielraum für Innovationen gelassen" werde, so der Bitkom-Geschäftsführer. Dazu brauche es eine einheitliche Umsetzung von DMA und DSA in den einzelnen Mitgliedstaaten. "In Deutschland sollte darüber hinaus zügig Klarheit über den Aufbau der behördlichen Strukturen für den Digital Services Koordinator geschaffen werden - und wo diese Stelle angebunden ist. Die Bundesnetzagentur wäre aus Bitkom-Sicht die geeignetste Option. Zusätzlich müssen die entsprechenden nationalen Gesetze - vor allem das NetzDG - schnell und umfänglich überarbeitet werden, damit sie nicht mit dem DSA kollidieren. Die Bundesregierung muss der großen Bedeutung von DSA und DMA entsprechen und eine zeitnahe, klare und rechtsichere Umsetzung gewährleisten."
BEVH: "Verbraucherrecht schlägt Umweltschutz"
Mit der Zustimmung des EU-Parlaments zum DSA ist eines der größten Regelwerke für das Internet der vergangenen 20 Jahre beschlossene Sache, schreibt der BEVH



MVFP und BDZV: Gefahr für die Pressefreiheit
Der Medienverband der freien Presse (MVFP)



Die beiden Verbände rufen deshalb die Verantwortlichen in Deutschland auf, "bei der Rechtsanwendung eine Zensur der Presse durch Google, Facebook und andere Gatekeeper zu verhindern" Mittelfristig müsse die EU ihre Entscheidung bei der nächsten Überarbeitung des Gesetzes revidieren und sicherstellen, dass das, was als legale Presse offline verbreitet werden darf, auch nicht online aus inhaltlichen Gründen gesperrt werden darf.
Eco: Legislatives Korsett
"Der Digital Services Act bietet die Möglichkeit, den horizontalen Rechtsrahmen an die technologischen Entwicklungssprünge der letzten 20 Jahre anzupassen und damit die Ecommerce Richtlinie abzulösen, die den Gegebenheiten der digitalen Kommunikation nicht mehr vollumfänglich gerecht wurde", erklärt Eco


Kritisch sieht der Verband jedoch die Situation rund um die Trusted Flagger, "wo ein funktionierendes freiwilliges System in ein legislatives Korsett gepresst wurde" sowie die geplanten Filter. Die unter dem Dach von Eco seit 25 Jahren arbeitende Beschwerdestelle zeige, "dass nur ein auf juristischem Sachverstand basierendes Prüfsystem für vermeintlich illegale Internetinhalte verlässlich funktioniert und Overblocking verhindert". Eco fordert, dass nach Inkrafttreten des DSA nationale Parallelregelungen, wie beispielsweise das NetzDG, rasch angepasst werden. "Damit einher geht auch das Verfahren zur Meldung und Entfernung illegaler Inhalte, also von Notice und Takedown, welches künftig europaweit deutlich einheitlicher ausgestaltet werden soll."
VAUNET: Mehr Wettbewerbschancen
Der Verband VAUNET


Nach der Verabschiedung im Europäischen Parlament muss der Digital Services Act noch vom Rat förmlich angenommen und im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Die Verordnungen müssen innerhalb von sechs Monaten nach ihrem Inkrafttreten umgesetzt werden. Anschließend gilt noch eine Übergangsfrist von sechs Monaten. Ab 2024 wird es also vermutlich ernst.