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ChatGPT und Disruption: Welche Geschäftsmodelle KI-resilient sind
03.04.2023 Die Disruption durch KI läuft schon längst, ChatGPT hat sie nur in den Fokus gerückt. Wer sich resilient machen möchte, ist eigentlich schon zu spät dran. Was Agenturen und Marken dennoch tun können.
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Grundsätzlich wird ChatGPT also gut aufgestellte Geschäftsmodelle nicht über den Haufen werfen, man kann sie mit einigen Adaptionen sogar noch widerstandsfähiger machen. Jahrelange Versäumnisse dagegen lassen sich nun nicht über Nacht gutmachen. Doch in vielen Firmen grassiert nun, nach dem Auflodern des ersten ChatGPT-Hypes, eine gewisse "Fließband-Panik": Wie beim Aufkommen der industriellen Fertigung wird die Wertschöpfung zunehmend in die Technologie verlagert, weg vom Menschen. Nur, bei der Disruption mittels Künstlicher Intelligenz, stellt sich heraus, "dass auch Menschen, die sich bislang für unersetzbar hielten, nun ersetzbar sind", sagt Hoffmeister.
Dass es soweit kommen konnte, hat mit einer Mischung aus vergangener Nachlässigkeit und in vielen Fällen weiter anhaltender Ignoranz zu tun. So macht beispielsweise aktuell unter Techjournalisten die These die Runde, Google habe das Thema KI verschlafen und nun hastig seinen Chatbot Bard
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Wer Googles Expertise auf dem Gebiet der KI übersieht, versteht für Hoffmeister Künstliche Intelligenz ebenso falsch wie all jene, die nun nachweisen wollen, dass sie erkennen, ob ein Mensch oder eine Maschine einen Text geschrieben hat. Darum geht es nicht.
KI zu identifizieren oder ihre Mechanismen zu unterwandern, wird keine substantiellen Resilienzen aufbauen können. Wer etwa als SEO-Agentur nun darauf setzt, seinen KundInnen "Chatbot"-Optimierung anzubieten, die die Firmen-Inhalte bei ChatGPT auftauchen lässt, wird scheitern: Es mag ein paar kurzfristige Erfolge zeitigen, doch dann ist es aufgrund der schnell-lernenden Natur der Algorithmen auch schon wieder vorbei. Auch einzelne Fehler in Antworten von ChatGPT oder Bard sind eher Singularitäten als strukturelle Fehler, die Anlass zur Entspannung geben können: "Das ist so als ob man als Casinobesucher die Bank sprengt und sich einbildet, das 'System Spielcasino' besiegt zu haben", sagt Hoffmeister. "Man kann allenfalls nachweisen, dass die Verteilung auf Einzelfälle nicht gleichmäßig abläuft, doch in der Masse arbeitet das System korrekt."
Vermeintlich leicht enttarnbare und anfällige KI ist das eine; auf der anderen Seite leben KI-Geschäftsmodelle schon lange unter uns, ohne dass sie jemand bemerkt hat.
- Wenig diskutierte KI: Zalando
etwa, einer der wenigen deutschen Marktteilnehmer, die die Bedeutung von KI sowohl erkennen, als auch entsprechend handeln, hat eine Datenbank
, die auf dem zur Handschrifterkennung konzipierten MNIST-Prinzip basiert. Damit kann etwa der Mode-Onlinehändler Kleidungsstücke mittels KI auf Bildern identifizieren und Kunden-Outfits mittels Bilderkennung anbieten.
- Getarnte/verschwiegene KI: KI-Experten gehen davon aus, dass manche Anbieter auf Microjobbing und Billig-Content-Börsen wie etwa Fiverr
oftmals keine Künstler/Freelancer sind, die irgendwo am Ende der Welt günstig Aufgaben erledigen, sondern: KIs. Algorithmen, die die Jobs konkurrenzlos günstig und schnell erledigen; so entstehen skalierbare Geschäftsmodelle, die noch als 'Handarbeit' deklariert werden, de facto aber als solche niemals leistbar und bezahlbar wären.
- Übersehene KI: Kaum einer hält Social Media heute noch für eine soziale Veranstaltung im menschlichen Sinne, als Ansammlung von humanoiden Individuen. Dass Bots in den Netzen unterwegs sind, weiß jeder, aber nur wenige kennen komplett KI-generierte Personas wie etwa Miquela
, einen "19 Jahre alten Bot, der in L.A. lebt". Miquela postet KI-generierte Bilder von sich, die KI-generierten Content dekorieren und beneidenswert ist die Unschuld aller, die davon ausgehen, dass ihre 2,8 Millionen Follower alle biologisch erzeugt und abbaubar sind.
Der Bagger ist okay, der Algorithmus ist böse: Wieso die BRD eine neue KI-Attitüde braucht
Gerade in Deutschland ist es üblich, Arbeiten an Maschinen abzugeben. Das beginnt in Professionen wie dem Handwerk mit scheinbar banalen und selbstverständlichen Hilfsmitteln wie Autos und Baggern und erstreckt sich ins Interaktivbusiness. Hier weist Professor Ralph Sonntag![‘Ralph Sonntag’ in Expertenprofilen nachschlagen](/img/extLinkProfil.png)
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"Es dürfte auch bald Versionen von Chatbots wie ChatGPT geben, die auf speziellen Datenbanken und Wissens-Pools basieren - etwa speziell auf PR- oder Marketing-Agenturen zugeschnittene Datenbasen", glaubt Sonntag. "Für die Agenturen ist das eine außerordentliche Gelegenheit, andrerseits wirft es natürlich die Frage nach der eigentlichen Wertschöpfung eines Dienstleister auf." Ähnlich sieht es auch Content-Strategie-Berater Klaus Eck
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Ein Dienstleister ist also gut beraten, wenn er jene Leistungen identifiziert, die sich nicht mit KI substituieren lassen und sie ausbaut. Sich als Experten für Prompting aufzustellen, als Chatbot-Flüsterer quasi, erscheint wenig aussichtsreich. Auch vermeintliche Zukunfts-Jobs wie der Chief Prompting Officer und ähnliche Schreibtischgeburten entspringen eher intellektuellen Experimentierlaunen als irgendeiner Substanz. Denn die erforderlichen Prompting-Kenntnisse werden mit jedem Update und verstärktem Wettbewerb auf dem Markt massiv abnehmen und lassen sich auch durchaus fix anlesen
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KI-Resiliente Agenturleistungen und Fallstricke der bisherigen Herangehensweise
Denn so hart es klingt, grundsätzlich ist es irrelevant, ob ein Mensch oder eine Maschine eine Arbeit erledigt. Früher benötigte man stets Programmierer für einige Zeilen Code, heute wandert diese Leistung ebenso wie das Texten in die trainierten, generierenden Bots. Das Erstellen und Einbauen von Texten oder Code in ein Gesamtkonstrukt wird immer weniger die Leistung, für die man den Menschen braucht. Doch damit wird der Mensch ja nicht überflüssig.So ist die eigentliche Agenturleistung kaum artifiziell nachbaubar: Das Design einer Kampagne, die eigentliche Strategie und Idee hinter einer Vermarktung. Es gibt in diesem kreativen Konstrukt verschiedene Positionen entlang der Wertschöpfungskette, die Dienstleister einnehmen können. Es kommt darauf an, dass sie diese Position präzise und kompetent besetzen und eine genaue Definition haben - von allem ein bisschen zu machen, ist hier weniger wert, als einen Aspekt richtig zu erledigen.
Vielleicht ist es in absehbarer Zeit möglich, dass KIs Romane oder Drehbücher schreiben, die als menschengemacht durchgehen - das liegt dann aber vor allem daran, dass vielen Actionfilmen oder Romantic-Comedies eine formelhafte Uniformität anhaftet, die sich replizieren lässt: "Schriftsteller etwa müssen dann halt etwas wirklich Neues bieten, was kein Algorithmus produzieren kann", sagt Hoffmann.
Ein großer Fallstrick, der dem Umgang mit KI im Weg steht, ist jedoch die traditionelle, deutsche Management-Denke schneller Gewinne. Eben mal die Mannschaft brutal zusammenkündigen und dann ChatGPT die ohnehin schon unerträglichen Clickbait-Texte schreiben lassen, um den Kurs in die Höhe zu jagen, wie es Buzzfeed getan hat
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Zum Beispiel ist das Treffen von Entscheidungen typisch menschlich, besonders wenn es auf Intuition beruht. "Eine KI-gestützte Decision Intelligence oder ein ChatGPT kann beispielsweise versuchen, einen Wertekatalog von 2023 geborenen Kindern zu prognostizieren, indem man verschiedene Daten analysiert und dann auf den Hintergrund von 1973 projiziert, als es ebenfalls eine Energiekrise gab", sagt Ralph Sonntag. "Aber nur ein Mensch wird erkennen können, warum die beiden Datensätze dann eben doch nicht vergleichbar sind." Ein Chatbot kann hier sogar zum Fallstrick werden, weil er keinen Zweifel kennt, im Gegenteil über den ausgeworfenen Text noch immer den tief im Menschen verwurzelten Respekt vor der Schriftlichkeit bedient: "Die ChatGPT-Informationen werden tendenziell als korrekt eingeordnet, weil sie schriftlich vorliegen. Das steckt in uns drin", sagt Ralph Sonntag.
Hier befindet sich ein grundsätzliches Einfallstor in die KI-Resilienz: Man muss dorthin gehen, wohin kein mit Daten gepflasterter Weg führt, wo es keine aufgrund vorhandener Informationen reproduzierbaren Muster gibt. Das kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein.
- Es gibt keine Daten: Das kann der Fall sein, wenn man etwas vollkommen Neues oder Originelles tut.
- Es gibt zu wenig Daten: Das ist etwa in kommerziellen oder inhaltlichen Nischen der Fall oder auch in lokalen oder regionalen Märkten. Eine KI kann aufgrund von Datenanalysen eventuell vorhersagen, wie ein internationaler Konflikt a lá Ukraine ablaufen wird. Welche lokal-politischen oder sozialen Implikationen ein Grundstückskonflikt zwischen einer Gemeindeverwaltung und einer Bürgerinitiative in einer speziellen Stadt haben wird, fällt da schon schwerer aus.
- Daten sind strukturell unerfassbar: Intuition fällt in diese Kategorie. Um zu wissen, was Intuition ist, "müsste ein Datenwissenschaftler jeden Tag zu Dutzenden CEOs gehen und sie ausfragen, a) welche intuitiven Entscheidungen sie heute getroffen haben und b) ob diese richtig oder falsch waren", sagt Ralph Sonntag. Das geht nicht, weil a) die CEOs selbst nicht immer wissen, wieso sie so entschieden haben, b) (noch) nicht beurteilen können, ob die Entscheidungen richtig waren und c) dieses Wissen, das ihnen hochbezahlte Jobs eingebracht hat, auch gar nicht teilen wollen.
- Es gibt Daten, aber die sind nicht anwendbar: Man kann Falldaten zum gleichen Thema auf dem gleichen regionalen Markt und die gleiche Zielgruppe haben und dennoch sind diese Daten nicht anwendbar, weil beispielsweise die Corporate Identity, die Unternehmenswerte, die Moral und Philosophie nicht deckungsgleich sind. Ein Unternehmen mag dezidiert konservative Werte haben, ein anderes offensiv auf Diversity setzen.