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Vom Untergang des Kaufhaus Österreich
11.02.2021 Die Onlineplattform 'Kaufhaus Österreich' sollte die Onlineshops österreichischer Händler besser auffindbar machen und Menschen zum regionalen Onlinekauf bringen. Daraus wurde ein teurer Flop.
Es dauert seltsamerweise nicht zwei, sondern sechs Monate, wurde noch seltsamerweise doppelt so teuer wie geplant - und nach zwei Monaten war mangels Erfolg auch schon wieder Schluss mit dem Angriff auf Amazon: Online unerfahrenen Händlern sollte das Kaufhaus Österreich in der Pandemie unter die Arme greifen und für Anforderungen von Logistik bis Marketing die richtige Lösung und den passenden Partner bereitstellen. Wegen der hohen Kosten und der schlechten Nutzbarkeit der Website war das 1,5 Millionen Euro teure Projekt des österreichischen Wirtschaftsministeriums aber von Anfang an in der Kritik. Nicht zuletzt, weil es keine Ausschreibung gab, wie die SPÖ-Opposition der ÖVP/Grüne-Regierung vorwarf (Antwort: "nicht nötig, es gab ja schon eine Linksammlung" )
Das lag unter anderem daran, dass die Plattform der Wirtschaftskammer (WKO) genutzt wurde: Bei der WKO sind sämtliche österreichischen Unternehmen Zwangsmitglied - ähnlich wie in den deutschen IHKs. Über den zentralen Firmeneintrag in der WKO konnten Onlinehändler (und zwar nur diese - Präsenzhändler wurden nicht gefragt) einen zusätzlichen Menüpunkt "Onlinehändler" freischalten und dann händisch (Importfunktionen waren nicht vorgesehen) Produkte eintippen. 627.000 Euro hat die Aufrüstung der B2B-Plattform zur österreichweiten Kundensuchmaschine gekostet - funktioniert hat es nie. Wer beispielsweise auf der Seite nach Schuhen suchte, dem wurden ein Tischtennisshop, eine Bergbauernseite und ein Angebot für Kinderbekleidung als erste Präferenzen angezeigt, berichtet beispielsweise der ORF
.
Nach zwei Monaten ist nun Schluss. Künftig soll das Portal nicht mehr Konsumenten, sondern wieder Unternehmen dienen. Und die Ministerin wäre keine Politikerin, wenn sie das nicht als Strategieerfolg verkaufen würde: "Primäre Intention des 'Kaufhaus Österreich' war und ist es, österreichische Unternehmen und vor allem die vielen KMU bei ihren E-Commerce-Aktivitäten beziehungsweise beim Einstieg in E-Commerce zu unterstützen", wird Margarete Schramböck zitiert. Die Plattform sei "nie als Konkurrenz zu Amazon" geplant gewesen. Das hat sich bei der Medienvorstellung im November sondererbarerweise anders angehört
. "Ich kauf regional, das geht auch digital", war der Slogan der Shoppingplattform. Schramböck damals: "Damit soll die Aufmerksamkeit der Konsumentinnen und Konsumenten auf das "Kaufhaus Österreich" gelenkt werden und natürlich möglichst viel Traffic erzeugt werden. Schließlich geht es auch darum, bei der Eingabe in Google die Plattform "Kaufhaus Österreich" an erster Stelle zu finden."
Futurezone
zitiert die Wirtschaftsministerin, laut dieser die BRZ GmbH
und die öffentliche LFZR GmbH mit der Umsetzung beauftragt, die wiederum Subauftragnehmer anheuerten: "Bei der Plattform KHÖ wurden folgende Subauftragnehmer herangezogen: Accenture GmbH, Digitalberatung GmbH und hpc DUAL Österreich GmbH. Diese Unternehmen wurden aufgrund ihrer Erfahrung und Expertise im Hinblick auf die jeweiligen Teilaufgaben sowie der vorhandenen Möglichkeit zur Bereitstellung der notwendigen Ressourcen ausgewählt."
Die Stellungnahmen österreichischer ECommerce-Experten chargiert zwischen entsetzt, kopfschüttelnd und resigniert. "Man hat uns zwar gefragt, aber die Anregungen ignoriert", so der ECommerce-Experte und Kärnter Shopbetreiber Markus Miklautsch
, Betreiber unter anderem des Onlineshops Stilmelange
und einer KMU-Shopsoftware
: " mein Vorschlag war eine wirkliche Digitalplattform gewesen - die mit Produktdaten arbeitet und Importschnittstellen und APIs besitzt." Während Plattformen wie Ebay selbst mit Excel-Listen befüllt werden können, fehlen solche Schnittstellen bei dem österreischen Amazon-Killer-Wannabe völlig.
Miklautsch klagt: Das Geld sei verheizt worden. Kaufhaus Österreich sei "eine reine PR-Masche, diese Hauruckaktion, um nach dem Coronaeffekt Aktivität zu zeigen". Erst nach dem ersten Shitstorm sein man im Wirtschaftsministerium umgeschwenkt. Andere Anbieter, wie die von der österreichischen Post betriebene Plattform Shöpping.at
oder die Plattform für nicht online aktive österreichische Händler Kaufdaheim.at
waren ebenfalls nicht eingebunden worden.
"Inkompetenz und Freunderlwirtschaft zerstören in Österreich jährlich Unternehmen", klagt
Stephan Grad
, CEO des ECommerce-Netzwerks A-Commerce
. Sein Fazit: "Wenn zu fehlenden ECommerce-Know-how bzw. der Ignoranz dann auch noch die für Österreich typische Freunderlwirtschaft ins Spiel kommt, dann sehen wir was herauskommt. Das Kaufhaus Österreich. Eine Idee, die schon am Tag der Vorstellung völliger Schwachsinn war und nur einige Agenturchefs im Umfeld des Ministeriums reich gemacht hat. Weder Frau Schramböck oder Herr Mahrer haben tatsächlich eine Ahnung, wie lächerlich sie sich als auch ihr Umfeld machen - und es scheint ihnen auch vollkommen egal zu sein." Zu Gesprächen seien die Verantwortlichen "leider seit dem letzten Jahr nicht bereit" gewesen.