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Rechtstipp: Wann Onlinehändler vom Kunden Wertersatz verlangen können
04.11.2016 Retouren sind für Onlinehändler ein Ärgernis. Vor allem wenn Artikel mit Gebrauchspuren zurückgeschickt werden und nur mit erheblichen Preisabschlägen wieder verkauft werden können. Die Kosten müssen Händler aber nicht immer tragen. Wann Shopbetreibern ein Wertersatzanspruch zusteht und was im Vorfeld zu beachten ist, erklärt Tanya Stariradeff , Rechtsexpertin bei Trusted Shops
- der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und
- der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.
Wertverlust der Ware
Ein Wertersatzanspruch steht Händlern also nur bei Wertverlust der Sache zu. Ein Nutzungsersatzanspruch - d.h. eine Entschädigung für die bloße Gebrauchsüberlassung - können Händler nach aktueller Rechtslage nicht verlangen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Ware nur mit Preisabschlägen bzw. gar nicht wiederverkäuflich ist.Typischerweise fallen darunter Beschädigungen der Substanz der Ware. Kommt die Ware jedoch beim Händler beschädigt an, ist Vorsicht geboten.
Denn Transportschäden werden von dem Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 7 BGB nicht erfasst. Nach § 355 Abs. 3 Satz 4 BGB tragen Händler als Unternehmer die Gefahr der Rücksendung der Waren. Eine Entschädigung können sie vom Verbraucher nur dann verlangen, wenn er die Ware nachweislich unzureichend verpackt hat und die Beschädigung auch auf die unzureichende Verpackung zurückzuführen ist.
Aber auch wenn die Ware nur verschmutzt ist, können Händler die Preisdifferenz dem Kunden in Rechnung stellen. Fehlt die originale Produktverpackung ist hingegen zu differenzieren. Insbesondere Markenprodukte (z.B. Miniaturmodelle, Designer-Uhren) sind ohne eine Originalverpackung schwer verkäuflich. Der Hersteller eines Parfüms kann den Vertrieb ohne Originalverpackung nach § 24 Abs. 2 MarkenG sogar unterbinden.
Was gehört zur Prüfung der Ware?
Der Wertverlust der Ware berechtigt Händler jedoch nicht automatisch zum Wertersatz. Nach der Intention des Gesetzgebers muss dem Kunden in jedem Fall gestattet bleiben, die Beschaffenheit, die Eigenschaften und die Funktionsweise des gekauften Artikels zu prüfen. So ist z.B. bei Kleidungsstücken und Schuhen eine Anprobe unerlässlich, um eine Kaufentscheidung treffen zu können.Wird die Ware durch die Prüfung wertlos, muss der Verbraucher hierfür keinen Wertersatz leisten. Dieses Risiko trägt der Händler. Nach der Wasserbett-Entscheidung des BGH (Urteil vom 03.11.2010 - VIII ZR 337/09 ) gehört zur Prüfung nicht nur die Gelegenheit, die Ware in Augenschein zu nehmen, sondern auch sie "auszuprobieren" und zwar unabhängig davon, welche Auswirkungen das Ausprobieren auf den Wert des Artikels hat.
Bei Möbeln, die im zerlegten Zustand angeliefert werden, schließt dies das Auspacken und den Aufbau der Möbelstücke mit ein, bei einem Wasserbett das Aufblasen und das Befüllen der Matratze mit Wasser.
Nach einem in diesem Monat verkündeten Urteil des BGH (Urteil vom 12.10.2016 - VIII ZR 55/15 ) findet das Prüfungsrecht des Verbrauchers seine Grenzen in dem Vergleich mit den Prüfungsmöglichkeiten des Kunden in dem Ladengeschäft.
Im entschiedenen Fall hat der Verbraucher einen Katalysator in sein Fahrzeug eingebaut, eine Probefahrt unternommen und anschließend den Widerruf erklärt. Eine Ware, die - wie der Katalysator - in einen anderen Gegenstand eingebaut werden soll, ist im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache überprüfbar. Der Kunde hätte das ausgewählte Katalysatormodell oder ein entsprechendes Musterstück nur in Augenschein nehmen und mit Alternativmodellen oder dem bisher verwendeten Teil vergleichen bzw. sich fachkundig beraten lassen können.
Die Entscheidung zeigt, dass die Frage für jedes Produkt einzeln zu beantworten ist. Bei manchen technischen Geräten ist ein Ausprobieren der Ware im stationären Handel durchaus üblich wie z.B. bei Fernsehern, Kameras oder Handys, das Ansehen von WM-Spielen auf einem Großbildfernseher oder das Einlegen der eigenen SIM-Karte hingegen nicht möglich. Küchenmaschinen (z.B. Fritteusen, Saftpressen, beutellose Staubsauger) können auch im stationären Handel regelmäßig nicht getestet, sondern nur in Augenschein genommen werden.
Im Einzelfall müssen Händler nachweisen, dass die Ware über das Testen hinaus benutzt wurde. Neben dem Zustand der Ware (etwaige Verschmutzung) kann insbesondere die Entfernung von Preisschildern ein wichtiges Indiz für die Nutzung sein.
Zwar ergingen beide Entscheidungen zur Rechtslage vor Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL), die aufgestellten Grundsätze gelten aber weiterhin, da die VRRL ebenfalls ein Prüfungsrecht des Verbrauchers vorsieht (Art. 14 Abs. 2 VRRL ) und auf den Vergleich mit dem Ladengeschäft (Erwägungsgrund 47 VRRL ) hinweist.