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Konsumgüterindustrie wächst trotz Krise
14.04.2020 Rund anderthalb Monate nach Ausbruch der COVID-19-Krise in Europa verzeichnen die meisten Industriezweige in den fünf wirtschaftlich stärksten europäischen Ländern deutliche Verluste beim Konsumenteninteresse. Eine Ausnahme bildet die Konsumgüterindustrie. Doch auch dort gibt es Verlierer.
Der kontinuierlich aktualisierte COVID-19-Report von Reply untersucht die aktuellen Auswirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft in den wichtigsten betroffenen Ländern. In der neuesten Ausgabe des COVID-19-Reports wird die Konsumgüterindustrie beleuchtet, die im Lichte der "Panikkäufe" von vielen europäischen Medien zum "Aufsteiger in der Krise" erklärt wurde. Auf Basis von Google Suchdaten wird das Konsumenteninteresse untersucht.
Konsumgüterindustrie: Aufschwung und Abschwung
Zusammengenommen verzeichneten die Konsumgüterindustrien in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien im März 2020 verglichen mit März 2019 ein deutliches Plus an Suchinteresse. Mithilfe eines von Reply entwickeltem Suchvolumenanalyse-Tool, das Daten aus Google Trends und Google Ads aggregiert, wurde ein länderübergreifender Zuwachs von 37 Prozent errechnet. Das Wachstum in der Konsumgüterindustrie war besonders stark in den Ländern, die am frühesten mit einem exponentiellen Anstieg der COVID-19-Infektionen in Europa zu kämpfen hatten: Spanien (plus 79 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) und Italien (plus 63 Prozent). In Deutschland (plus 14 Prozent) fiel das Wachstum zwar signifikant doch im Vergleich am niedrigsten aus.Heruntergebrochen auf einzelne Branchen verzeichnen die größten Zuwächse an Suchanfragen die Nachrichtenbranche mit etablierten Nachrichtenzeitungen und -magazinen (online und Print, plus 108 Prozent), gefolgt von Fast Moving Consumer Goods (FMCG) (plus 32 Prozent), E-Commerce (plus 28 Prozent), Lebensmittellieferdienste (plus 22 Prozent) und Telekommunikationsdiensten (plus 8 Prozent).
Am stärksten an Interesse verloren haben dagegen Tourismus (minus 29 Prozent), Mode (minus 24 Prozent) und die Automobilbranche (minus 18 Prozent).
FMCG: digitale Aufstellung ist entscheidend
Die FMCG-Branche gehört zu den wenigen, die einen Aufschwung in der Krise verbuchen. Verglichen mit März 2019 ist im März 2020 das Interesse für diese Güter länderübergreifend um 53 Prozent gestiegen. Das Land, in dem die Branche am stärksten an Interesse hinzugewonnen hat, ist Italien mit einem Plus von 62 Prozent.Auf die Markenebene heruntergebrochen gibt es jedoch viele Einbußen. Nur diejenigen Marken konnten punkten, die aufgrund von hohen ECommerce-Kapazitäten und populären digitalen Services im digitalen Bereich besonders gut aufgestellt sind. Das liegt daran, dass für viele Menschen in den betrachteten Ländern Online-Bestellungen alternativlos geworden sind, da sie um ihre Gesundheit fürchten, erreichbare Geschäfte geschlossen haben, oder die Kauferfahrung radikal an Qualität eingebüßt hat.
Die erfolgreichste Sparte bilden dabei Marken, die mit häuslicher Hygiene assoziiert sind. So konnte die Marke Lenor im März 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat ein 38 Prozent höheres Suchinteresse generieren. Auch Tide und Ariel verzeichneten ein zweistelliges Wachstum. In der zweiterfolgreichsten Sparte, den Getränkemarken, konnte an erster Stelle San Pellegrino ein Wachstum von 19 Prozent generieren, gefolgt von Coca-Cola mit 14 Prozent und Red Bull mit 9 Prozent. Deutlich weniger erfolgreich waren dagegen Alkohol- und Kosmetikmarken.
Bei den Supermärkten und Online-Lebensmittelhändlern konnten während der COVID-19-Krise insbesondere die Marken mehr Interesse generieren, die seit längerer Zeit auf den digitalen Bereich setzen. Dazu gehören beispielsweise in Deutschland dm , Flaschenpost und Rewe . Lidl , das nur einen Bruchteil seines Umsatzes im E-Commerce erwirtschaftet, rutschte dagegen in der Top 5 der deutschen Supermärkte und Online-Lebensmittelhändler nach Interesse vom zweiten auf den dritten Platz.
Nach der Krise: Prognosen auf Basis der Finanzkrise
Der Rückgang an Interesse während der COVID-19-Krise für einige Branchen ähnelt prozentual gesehen stark dem Rückgang, der durch die Finanzkrise 2007 bis 2008 ausgelöst wurde. Aus diesem Grund lässt sich die Hypothese aufstellen, dass die Auswirkungen der Finanzkrise und die COVID-19-Krise auf die Konsumgüterindustrie ähnlich sein könnten. Basierend auf dieser Hypothese wurde eine Matrix erstellt, die diese Auswirkungen gegenüberstellt und die Performance einzelner Branchen nach dem Ende der Krise (definiert als das Ende der meisten Ausgangsbeschränkungen) prognostiziert.Die Prognosen für den Tourismus fallen düster aus, denn die Finanzkrise führte zu einem lang anhaltenden Rückgang an Interesse für Tourismusthemen. Ein schneller Rebound blieb aus. Der heute beobachtete Rückgang aufgrund der Ausgangsbeschränkungen könnte für die Tourismusbranche ebenfalls langfristig nachwirken, wenn sie keine neuen Wege aus der Krise findet.
Eine positive Prognose erhalten hingegen die E-Commerce- und Telekommunikationsbranchen. Diese Branchen gehören zu den Profiteuren der Ausgangsbeschränkungen. Auch nach der Finanzkrise konnten diese Branchen einen zügigen Rebound verzeichnen.
Wege aus der Krise
Der Krise trotzen viele der zurzeit erfolgreichsten Konsumgüter-Marken mit einem Fokus auf Purpose-gesteuerte Kommunikation und langfristige Markenbildung. So stoppte beispielsweise Coca-Cola in vielen Ländern alle Werbeaktivitäten und leitet geplante Werbebudgets stattdessen in die humanitäre Hilfe gegen COVID-19 um. Damit sendet die Marke eine Botschaft der Solidarität an die Konsumenten und verzichtet auf kurzfristige Werbegewinne zugunsten langfristiger Markenbindung.Ein früherer Reply Report zur Analyse der Automobilindustrie hat gezeigt, dass Automarken, die authentische Solidaritäts-Botschaften kommunizieren, trotz des negativen Branchentrends während der COVID-19-Pandemie mehr Interesse generieren konnten. Der BrandZ-Index von Kantar zeigt, dass Marken, die langfristige Markenbildung gegenüber kurzfristigen Werbegewinnen priorisieren, langfristig erfolgreicher sind.
Wie Marken sich jetzt richtig aufstellen
Generell scheint die COVID-19-Krise in Europa maßgeblich dazu beizutragen, dass Online-Kanäle endgültig gleichrangig mit Offline-Kanälen werden. Durch die Krise lernen Konsumentengruppen wie ältere Menschen, die digitalen Shopping- und Kommunikationskanälen eher ablehnend gegenüberstanden, ihre Vorzüge zu schätzen. Laut Reply müssen Marken spätestens jetzt auf eine ganzheitliche Omnichannel-Strategie setzen, um ihre Online- und Offline-Kanäle sinnvoll zu verbinden.Zudem müssen Konsumgüter-Marken neue Ideen beim Umgang mit Distributionskanälen zulassen. Die Pandemie zeigt beispielsweise, dass neben traditionellen Partnern wie Supermärkten in den meisten Ländern auch Baumärkte, Drogerien und Hardware-Shops noch geöffnet haben und sogar steigende Besucherzahlen vorzeigen können. Hier gibt es viele ungenutzte Potentiale. Die Marken sind gefragt, um kreativ neue Spielräume für die Zusammenarbeit mit neuen Partnern auszuloten.