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Gegen Klingel ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft
23.04.2024 Ist bei der Insolvenz von Versender Klingel ein Schaden in Höhe von 270 Millionen entstanden? Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Manager des untergegangenen Pforzheimer Versandhandelsunternehmens.
Hintergrund: Den ehemaligen Geschäftsführern des Versandhauses Klingel in Pforzheim werden Fahrlässigkeit und Insolvenzverschleppung vorgeworfen. Mehrere anonyme Anzeigen sind seit dem vergangenen Jahr bei der Staatsanwaltschaft Pforzheim eingegangen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Mannheim zu diesen Vorwürfen. Wegen ihrer besonderen Spezialisierung auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität hat die Staatsanwaltschaft Mannheim im Januar die Ermittlungen zur Klingel-Insolvenz übernommen, bestätigte Staatsanwältin Dr. Jeanie Henn auf Anfrage der Redaktion. In Mannheim werde "ein Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzdelikten in Bezug auf die Unternehmensgruppe Klingel""ergebnisoffen" geprüft, ob die Klingel-Geschäftsführung zu spät Insolvenz angemeldet, oder ob sie diese sogar mutwillig herbeigeführt hat. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Es war eine Milliardenpleite im deutschen E-Commerce: Die Unternehmensgruppe (Platz 66 in der Liste der Top-100 Onlineshops hatte ihren Geschäftsbetrieb Ende Januar 2024 eingestellt, nachdem kein Investor gefunden worden war. Neben der K-Mail Order GmbH & Co. KG landeten ab Mai 2023 auch die Hamburger Tochtergesellschaften Impressionen Versand GmbH und Einrichtungshändler Schneider GmbH in einem Insolvenzverfahren und wurden später verkauft. In den drei Unternehmen arbeiteten rund 1.800 Mitarbeitende.
"Eine dauerhafte Fortführung des Geschäftsbetriebs ist ohne Investorenlösung nicht möglich. Angesichts der schwierigen Branchen- und Unternehmenssituation ist jedoch kein Interessent bereit, in die Unternehmensgruppe als Ganzes zu investieren und diese auf Basis der ausgearbeiteten Sanierungskonzepte fortzuführen", hatte das Management bei der Insolvenzanmeldung erklärt. Trotz erheblicher Kostenreduktionen habe die Unternehmensgruppe weiterhin Verluste gemacht.
Die Transformationsmaßnahmen zum Multichannel-Anbieter der vergangenen Jahre bei Klingel sowie die erfolgte Digitalisierung von Vertriebs- und Marketingmaßnahmen allein hätten nicht ausgereicht, um dem sich in den vergangenen Monaten stark veränderten Marktumfeld weiterhin gerecht zu werden", hatte das Unternehmen im Mai 2023 erklärt. Das Umsatzniveau der Gruppe könne man aufgrund der anhaltend schwierigen konjunkturellen und branchenwirtschaftlichen Situation kurz- bis mittelfristig nicht ausreichend verbessern. Auch mit umfassenden Kostenmaßnahmen sei keine Fortführung für die Unternehmensgruppe möglich, so die jetzt Beklagten.
Als Ursachen der Insolvenz hatte das Management die signifikante Verteuerung von Katalogproduktion und -versand sowie gestiegene Kosten durch höhere Logistikpreise genannt. Zudem habe eine notwendige Umstellung der IT-Systeme, die im zweiten Halbjahr 2022 umgesetzt wurde, den Geschäftsbetrieb erheblich beeinträchtigt. Die Gruppe hat dabei eine Mainframe Lösung durch eine moderne Systemlandschaft ersetzt. Die Umstellung, die ebenfalls hohe Kosten verursachte, sei die technische Grundlage für die Transformation der Gruppe gewesen.
Die Firmengruppe mit Sitz in Pforzheim wurde 1923 gegründet und entwickelte sich vom klassischen Katalog-Versender zum internationalen Multichannel-Distanzhändler mit Fokus auf das Online-Geschäft. Zahlreiche Marken gehörten zum Unternehmen. Dazu zählten die Marken KLiNGEL , WENZ und MONA für Damenmode, die Männerbekleidungsmarke BABISTA , der Schmuckanbieter DIEMER , die Plus-Size-Modeanbieter HAPPYsize , MIAMODA und Meyermode sowie der Schuh-Versender Vamos und die Gesundheitsmarke WELLSANA . Die Umsatzerlöse der Gruppe lagen im noch mit positivem Ergebnis abgeschlossenen Jahr 2021 bei knapp 1 Milliarde Euro.