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Apple Vision Pro und die 30-Jahre-Erfolgsgeschichte der Datenbrillen
07.06.2023 Ein Blick ins iBusiness-Archiv zeigt, wie lange sich die Interaktivbranche bereits mit dem Thema Datenbrillen beschäftigt. Diverse Produktrevolutionen inbegriffen. Apple Vision Pro ist eine in einer langen Reihe.
Unter einer Revolution macht man es bei Apple nicht: "Heute beginnt eine neue Ära des Computers", hatte CEO Tim Cook geschwärmt. "So wie der Mac das Personal Computing eingeführt hat und das iPhone das mobile Computing, führt die Apple Vision Pro das räumliche Computing ein." Die Apple-Fangemeinde folgt dieser Diktion natürlich - aber die Frage nach dem "Wofür" wird von den Fanboys genauso beantwortet, wie die FDP sich für Fusionsreaktoren und E-Fuel einsetzt: Die Zukunft wird es schon richten.
VR-Brillen, AR-Brillen, Head-Mounted-Devices: Die bisherige Versuchsreihe, den Monitor vor die Augen der Nutzenden zu bringen, ist lang und lässt bislang wenig Optimismus zu:
- Immerhin schon vor 30 Jahren konnten wir melden, dass CAD- und 3D-Spezialist Autodesk
ein "Cyberspace Developer Kit" (CDK) für DOS-PCs auf den Markt gebracht hat (Neues aus der VR-Szene vom 16.6. 1993
. Mit CDK lassen sich VR-Welten entwickeln.
- Und das Unternehmen VR Division
brachte ein plattformunabhängiges "VR Operating Enviroment", ein neuentwickeltes Autorensystem zur Herstellung und Simulation virtueller Welten - vor allem für Datenbrillen.
- Zwei Jahre später meldeten wir den Marsch der VR-Brillen auf den Endverbrauchermarkt: (Neue VR-Hardware, vom 11.05.1995
: Krimskramsversender Pearl
eine VR-Brille namens §D-Max auf den deutschen Markt. Um Lern- und Entertainment-Anwendungen für "3D Max" zu entwickeln, arbeitet der Hersteller mit der Canon-Tochter Criterion Software
zusammen, die ein "3D Max Developers Bundle" entwickelt hat, das ein spezielles "3D Max"-Renderware-SDK enthält. Die Brillen kosten unter 100 Dollar.
- "Head Mounted Displays werden wohl in nächster Zeit dramatisch billiger"
melden wir am 9.11.1995. Grund: Der Anbieter von Trackingsystemen Polhemus
, die man zur Erkennung der Kopfbewegung braucht, senkt seine Preise drastisch. Unter 1000 Dollar soll ein Device künftig kosten.
- Ein Headset für PC-Spiele zeigt der italienische Hersteller Video Computer S.p.A. auf der CeBIT (März 1998
. Das System steuert die dreidimensionale Bewegung im Raum mit einer Genauigkeit von weniger als einem Zehntel Pixel. Dafür ist es mit einem 3D-Positionssensor ausgestattet. Per Hand werden nur noch die Aktionen ausgelöst, und zwar mit einem Handgerät, dessen vier Knöpfe frei belegt werden können.
- Zehn Jahre später: Google Glasses ist lieferbar
, bekommt sogar einen eigenen App-Store
, Sony reicht Patent für Datenbrille ein
, Google-Konkurrent Baidu bastelt an eigener Datenbrille
- und doch: Nutzer bevorzugen Smartwatch vor Brille
.
- Der nächste Versuch von Microsoft im Jahr 2015: Eine Holobrille und Windows 10
. Ubd von Samsung (Entwicklerversion von Sonys Datenbrille kommt im März nach Deutschland
. 14 Millionen potenzielle Nutzer für VR-Brillen
will der notorische Bitkom entdeckt haben.
- 2017 versuchts mal wieder ein Dickschiff Glasshole 2.0?: Die nächste Datenbrille kommt von Amazon
melden wir im September.
- Und dann: Snapchat-Mutter bleibt auf hunderttausenden von Brillen sitzen
Es ist also nicht so, dass die Großen der Branchen es nicht immer und immer wieder versucht haben. Vielleicht gilt ja auch für sie, was bei den Tech-JournalistInnen über den aktuellen Apple-Versuch geschrieben wird: Eine coole Lösung - nur das Problem dafür fehlt?